Cromwell, Bernard
weites Land und ein kaltes
grünes Meer nach Ratharryn versetzt. Er griff nach Aurennas Hand, und sie
lächelte ihm zu, ebenso aufgeregt und erwartungsvoll wie er.
Das Erste, was sie von dem Tempel sahen, war der einzige
noch erhaltene Sonnenstein, der hoch über dem geheiligten Pfad aufragte; danach
kamen die Doppelsteinpfeiler am Sonnentorweg des Heiligtums in Sicht, und als
sie die Kuppe des Hügels erreichten, lag der Tempel vor ihnen.
Er stand bereits mehr als zur Hälfte. Der Zugang aus den
mit Decksteinen verbundenen Pfeilern war fertig und der Doppelkreis von Steinen
um den Mittelpunkt des Tempels zu fast zwei Dritteln vollständig, gesäumt von
den vier Mondsteinen. Saban schätzte, dass nur noch dreißig weitere Steine aufgestellt
werden mussten, wofür die Löcher bereits gegraben worden waren; auf der anderen
Seite des Tempels, hinter dem Ringgraben und den Wällen wartete ein letztes
Kontingent von Sarmennyns Steinen auf seine Bestimmung. Alles, was jetzt noch
getan werden musste, war, diese Pfeiler über den erhöhten Fußweg im
Eingangsbereich zu tragen und die Schlusssteine vom Flussufer heraufzubringen,
dann würde der Tempel fertig sein. Aber er war bereits so weit komplett, dass
man erkennen konnte, wie das Heiligtum aussehen würde, wenn sich wirklich
alles an seinem vorgesehenen Platz befand. Saban hielt bei dem mit Flechten
überzogenen Sonnenstein an und betrachtete das, was er, Lewydd und so viele
andere im Laufe der letzten fünf Jahre vollbracht hatten. »Nun?«, fragte Galeth.
Saban schwieg. Er hatte lange auf diesen Moment gewartet,
und er erinnerte sich an die ehrfürchtige Ergriffenheit, die er empfunden
hatte, als der Doppelkreis von Steinen das erste Mal aus Sarmennyns Nebeln vor
ihm aufragte - dennoch blieb jetzt irgendwie ein Gefühl der Ergriffenheit aus.
Er hatte gedacht, er würde von dem Anblick des Tempels überwältigt sein, hatte
gedacht, dass er vielleicht sogar in spontaner Anbetung auf die Knie sinken
würde - aber hier sahen die beiden Kreise enttäuschend klein und alles andere
als beeindruckend aus - die Findlinge wirkten sogar zusammengeschrumpft. In
Sarmennyn, eingebettet in das dunkle, enge Tal und scheinbar über dem luftigen
Abgrund schwebend, hatten die Steine dem endlos weiten, sturmumtosten Himmel
eine Ehrfurcht gebietende Macht entrissen, während sie über ein ganzes Land
hinweg dorthin blickten, wo die Sonne in einem fernen Meer unterging. In
Sarmennyn hatten die Blöcke eine Falle gebildet, um einen Gott einzufangen -
doch hier ließ das weite Grasland die dunklen Pfeiler klein erscheinen. Und es
war nicht nur das Grasland, das ihre Wirkung beeinträchtigte, sondern auch die
sieben größeren und helleren Steine aus Cathallo. »Nun?«, fragte Galeth erneut.
Wieder ließ Saban Galeths Einwurf unbeachtet. »Wir sind
letzte Nacht angegriffen worden«, sagte er stattdessen.
Galeth berührte seine Lenden. »Von Ausgestoßenen?«
»Wir wissen nicht, wer es war«, gab Saban vor, während er
an die schwarz befiederten Pfeile dachte.
»Die Ausgestoßenen sind ziemlich unverfroren geworden«,
bemerkte Galeth. Jetzt legte er Saban eine Hand auf den Arm, senkte die Stimme:
»Und die Leute fliehen.«
»Vor den Ausgestoßenen?«
»Vor Lengar!« Galeth beugte sich noch näher zu seinem
Neffen. »Es gehen Gerüchte um, Saban, dass sich die Geister der Toten
versammelt haben, um Lengar zu töten. Die Leute haben Angst!«
»Aber wir haben letzte Nacht keine Toten gesehen«, ließ
Saban verlauten und ging ein paar Schritte weiter auf die Torpfeiler zu, die
aus Cathallo gekommen waren. Er musste den Kopf in den Nacken legen, um zu den
Spitzen dieser Blöcke hinaufzublicken, während die größten Steine der beiden
neuen Kreise nicht viel größer als er selbst waren und die meisten ein ganzes
Stück kleiner. »Was hat Camaban über den Tempel gesagt?«, fragte er Galeth.
»Er wollte, dass er in neuer Form gebaut wird«, berichtete
Galeth kopfschüttelnd. »Ich weiß nicht, was er sonst noch wollte, aber er
schien ganz und gar nicht erfreut zu sein - Lengar hat ihn angebrüllt, und sie
haben sich heftig gestritten; dann sind Camaban und sein Gefährte
fortgegangen.«
»Dies ist die Form, die der Tempel in Sarmennyn aufwies«,
sagte Saban, während er noch immer auf die Steine starrte.
»Du bist enttäuscht?«, fragte Aurenna.
»Es ist nicht meine Enttäuschung, die zählt«, äußerte
Saban ernst, »sondern das, was Slaol denkt.« Er blickte jetzt über den
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