Cromwell, Bernard
Meißeln, und das Krachen der Hämmer und das Knirschen der
Schleifsteine riss niemals ab. Selbst in seinen Träumen hörte Saban noch das
Schaben und Kratzen und Knirschen von Stein auf Stein. Seine Haut wurde ebenso
grau wie die Felsbrocken, und sein Haar und sein Bart waren von dem
feinkörnigen Staub durchsetzt.
Acht Steine trafen im zweiten Jahr in Ratharryn ein und
elf im dritten; dann musste Saban weitere Arbeiter finden, um die Steine zu
behauen und zu schleifen, und sie mit Hämmern, Meißeln und Feuer zu bearbeiten.
Zusätzliche Arbeiter aber bedeuteten, dass noch mehr Sklaven benötigt wurden,
um Wasser und Essen zum Tempel zu bringen; Camaban ließ jetzt ständig Kriegerverbände
kreuz und quer das Land durchstreifen, auf der Suche nach Gefangenen. Einige
dieser Kriegerverbände führte er persönlich an. Er trug jetzt ein Schwert sowie
ein mit Bronzeplättchen gepanzertes Hemd und einen eng am Kopf anliegenden Helm
aus Bronzestreifen, die geschickt in Form einer Schüssel aneinander genietet
waren. Bei den Männern galt er inzwischen als ein ebenso großer Krieger wie
Lengar und als ein noch besserer Zauberer als Sannas - weil er diejenigen, die
er nicht mit seinen Speeren besiegen konnte, durch seinen Furcht erregenden Ruf
als Zauberer zur Unterwerfung zwang.
Dennoch konnte keine Zauberkraft der Welt die Steine
formen, und Camaban wurde immer ungehaltener darüber, dass die Arbeit an dem
Tempel so langsam vonstatten ging. Er beobachtete, wie die Sklaven bei der
Arbeit sangen, und das empörte ihn. »Treib sie dazu an, härter zu arbeiten!«
»Sie arbeiten schon so hart, wie sie können«, erwiderte
Saban.
»Warum haben sie dann noch genug Puste, um zu singen?«
»Das Lied verleiht der Arbeit Rhythmus«, verteidigte Saban
seine Leute.
»Eine Peitsche würde ihnen zu einem schnelleren Rhythmus
verhelfen«, knurrte Camaban.
»Es wird keine Peitschen geben«, erklärte Saban energisch.
»Wenn du willst, dass sie schneller arbeiten, dann schick ihnen mehr Essen.
Schick Pelze gegen die Kälte. Sie sind nicht unsere Feinde, Bruder, sondern das
Volk, das unseren Traum erbaut.«
Camaban war äußerst unzufrieden mit dem Fortschritt der
Arbeiten und versuchte den Männern immer noch mehr abzuverlangen. Er wollte,
dass die Pfeiler mit ihren Decksteinen verbunden wurden, damit der Himmelsring
niemals herabstürzte. Saban hatte gedacht, dass es genügen würde, die
Decksteine einfach auf die Pfeiler zu legen; aber Camaban bestand jetzt darauf,
sie zu befestigen, und daher würden in jede Pfeilerspitze zwei Zapfen
eingemeißelt werden müssen. Anschließend sollten in die Unterseite der
Decksteine Löcher gebohrt werden, sodass die Zapfen genau hineinpassten. Aber
diese Aktion würde Saban erst in Angriff nehmen, wenn die Pfeiler aufgestellt
waren und er genau ausmessen konnte, wo die Löcher gebohrt werden mussten.
Selten gelang es Saban, seinen Bruder zu mäßigen.
Und Camaban fielen ständig weitere Verbesserungen für
seinen Tempel ein. Er besuchte Cathallo und saß stundenlang mit Aurenna
zusammen - so viele Stunden, dass die Leute schon zu tuscheln begannen; aber
Haragg tat alle Gerüchte als Unsinn ab und erklärte, dass die beiden nur über
den Tempel sprachen. Saban fürchtete diese Treffen, weil sie ausnahmslos in
irgendeiner neuen und unmöglichen Forderung gipfelten. Im vierten Jahr der
Arbeiten verlangte Camaban zu wissen, ob Saban schon jemals bemerkt hätte, dass
einige der hölzernen Tempelpfeiler in Ratharryn vom Boden bis zur Spitze gleich
breit auszusehen schienen.
Gerade hatte Saban dabei geholfen, eine Spur aus Feuerholz
an der Flanke eines Felsblocks anzulegen. Er richtete sich auf und runzelte die
Stirn. »Sie sehen gerade und gleichmäßig aus, weil das die Art ist, wie Baumstämme
wachsen.«
»Nein«, sagte Camaban. »Aurenna hat zugeschaut, wie eine
Hütte in Cathallo gebaut wurde, und sie hat gesagt, der Mittelpfosten laufe
spitz zu; aber nachdem er aufgestellt war, sah er ganz gerade aus. Ich habe mit
Galeth darüber gesprochen, und er hat mir erklärt, es sei ein Trugbild.«
»Ein Trugbild? Du meinst, es hat mit Magie zu tun?«, fragte
Saban.
»Slaol verschone mich mit Idioten!« Camaban schnappte sich
ein Stück Kreide und fegte die Linie aus Feuerholz beiseite, die Saban so
sorgfältig vorbereitet hatte. »Baumstämme sind gewöhnlich am einen Ende breiter
als am anderen«, sagte er und zeichnete eine übertrieben verjüngte Form auf
die raue Oberfläche des Steins. »Aber
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