Cromwell, Bernard
stinkendem Rauch gefüllten Hütte ebenso unbehaglich fühlte wie Saban.
Sannas beobachtete Sabans Reaktion und lachte. »Sie gefällt dir, wie? Aber
warum solltest du sie an Stelle deines Bruders heiraten?«
»Damit zwischen unseren beiden Stämmen Frieden herrscht,
Herrin«, erklärte Saban.
»Frieden!«, höhnte der Totenschädel. »Frieden! Warum
sollten wir euren erbärmlichen Frieden mit dem Körper meiner Urenkelin
erkaufen?«
»Ihr erkauft keinen Frieden, Herrin«, wagte Saban zu
erwidern, »denn mein Stamm ist nicht käuflich.«
»Dein Stamm, pah!« Sannas lehnte sich zurück und lachte
meckernd, dann beugte sie sich plötzlich mit einer ruckartigen Bewegung vor und
griff mit ihrer Klaue nach Sabans Geschlechtsteil. Sie drückte sein Fleisch,
sodass er vor Schmerz den Atem anhielt. »Dein Stamm, Junge«, zischte sie, »ist
nichts wert. Überhaupt nichts!« Sie drückte noch fester zu, beobachtete seine
Augen, um zu sehen, ob ihm die Tränen kamen. »Willst du der nächste Clanführer
nach deinem Vater sein?«
»Wenn die Götter es wünschen, Herrin.«
»Sie haben sich schon seltsamere Dinge gewünscht«,
erwiderte Sannas und ließ ihn endlich wieder los. Sie wiegte sich vor und
zurück, während Speichel aus ihrem zahnlosen Mund rann. Aufmerksam taxierte sie
Saban, schätzte ihn ein und kam zu dem Schluss, dass er wahrscheinlich ein
anständiger Junge war. Er hatte Mut, was ihr gefiel, und außerdem sah er
unbestreitbar gut aus, was bedeutete, dass die Götter ihm gewogen waren; aber
es beleidigte ihr Volk, einen Jungen für eine Vermählung präsentiert zu
bekommen. Dennoch würde eine enge Verbindung zwischen Cathallo und Ratharryn
durchaus ihre Vorteile zeitigen, deshalb entschied Sannas, die Beleidigung zu
schlucken. »Du willst also Derrewyn heiraten, um den Frieden zu bewahren?«,
bohrte sie nach.
»Ja, Herrin!«
»Dann bist du ein Schwachkopf«, sagte Sannas verächtlich,
»weil es dir nicht gegeben ist, über Krieg und Frieden zu bestimmen, Junge -
und sie liegen ganz sicher nicht zwischen Derrewyns Beinen. Krieg und Frieden
liegen bei den Göttern, und was die Götter wollen, wird geschehen; wenn sie
beschließen, Cathallo in Ratharryn herrschen zu lassen, dann könntest du jedes
einzelne Mädchen in dieser Siedlung in dein stinkendes Bett nehmen, und es
würde doch nicht das Geringste an den Dingen ändern.« Sie schloss die Augen,
schaukelte abermals vor und zurück, und ein Rinnsal aus Honig und Speichel
tropfte von ihrem Kinn herab, wo weiße Haare aus dunklen Warzen sprossen. Es
wurde Zeit, entschied sie, diesem Jungen aus Ratharryn Angst einzujagen, und
zwar eine so große, dass er es niemals wagen würde, auch nur in Gedanken ihre
Wünsche zu durchkreuzen. »Ich bin Lahanna«, stellte sie sich mit einem
heiseren Flüstern vor, »und wenn du meine Pläne vereitelst, werde ich deinen
kümmerlichen Stamm verschlingen. Ich werde ihn durch die Galle in meinem Bauch
spülen und ihn in eine Latrine ausscheiden!« Sie lachte meckernd, und das
Gelächter verwandelte sich in einen Hustenanfall, der sie keuchend nach Luft
ringen ließ. Als der Husten nachließ, stöhnte sie, dann öffnete sie ihre
schwarzen Augen. »Geh«, knurrte sie abweisend. »Schick deinen Bruder Camaban zu
mir, aber du geh! Geh, während ich über deine Zukunft entscheide!«
Saban kroch wieder hinaus in den Sonnenschein, wo er sich
hastig anzog.
Die Tänzerinnen bewegten sich noch immer geschmeidig vor
und zurück, die Trommler blieben unentwegt am Werk, und Saban schauderte. Aus
dem Inneren der Hütte hinter ihm ertönte Gelächter, und Saban schämte sich.
Sein Stamm war so klein, sein Volk so schwach, und Cathallo so stark und
mächtig!
Die Götter, argwöhnte er, hatten sich gegen Ratharryn
gewandt. Warum sonst war Lengar geflohen? Warum war er, Saban, gezwungen, vor
einer alten Hexe in Cathallo zu kriechen? Saban glaubte an Sannas' Drohungen;
er glaubte, dass sein Stamm in Gefahr war, geschluckt zu werden, und wusste
nicht, wie er ihn retten sollte.
Sein Vater hatte ihn vor Helden gewarnt, aber Saban war
überzeugt, dass Ratharryn jetzt einen Helden brauchte. In seiner Jugend war
Hengall ein Held gewesen, doch jetzt war er vorsichtig geworden; Galeth besaß
keinen Ehrgeiz; und Saban war noch kein Mann - er wusste nicht einmal, ob er
die schweren Prüfungen überhaupt bestehen würde. Dennoch würde er ein Held
sein, wenn er es irgend vermochte, denn ohne einen Helden erwartete sein Volk
nichts als Leid und
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