Cromwell, Bernard
Schmerz. Es würde ganz einfach geschluckt werden.
4. KAPITEL
I n dieser Nacht entzündeten die Leute
von Cathallo die Sommersonnenwendfeuer, die hoch aufloderten und dunkle
Rauchschwaden über das Land schickten. Die Flammen sollten böse Geister aus den
Feldern vertreiben, und weitere Feuer brannten im Inneren von Cathallos großem
Tempel, wo zwölf Männer, gekleidet in Rinderfelle, die Steinsäulen rituell
umrundeten. Die Felle gaben schauerliche Kostüme ab, denn es hingen noch die
Köpfe und Hufe der Tiere daran. Die monströsen gehörnten Gestalten sprangen
zwischen den Flammen umher, während die Männer unter den Fellen mit lautem
Gebrüll den bösen Geistern den Kampf ansagten, die dem Stamm und seinen Herden
Krankheiten bringen konnten. Die Tier-Menschen bewachten die Reichtümer von
Cathallo, und unter den jungen Kriegern gab es jedes Jahr einen heftigen
Wettstreit um die Ehre, in den Stierfellen tanzen zu dürfen; denn wenn die
Nacht hereinbrach und die prasselnden, Funken sprühenden Flammen zu den
Sternen hinaufzüngelten, wurde ein Dutzend nackter Mädchen in den Feuerkreis
gestoßen, wo sie von den brüllenden Männern verfolgt wurden. Die Menschenmenge,
die um den Ring aus Feuern getanzt hatte, hielt inne, um zu beobachten, wie
die Mädchen in vorgetäuschter Angst hin und her flitzten und ihren gehörnten
Verfolgern zu entkommen versuchten; diese konnten unter ihren schweren,
hinderlichen Fellen nur wenig sehen und bewegten sich ziemlich plump und
unbeholfen. Dennoch wurden die Mädchen eines nach dem anderen eingefangen, auf
den Boden geworfen und dort von den Ungeheuern umschlungen, während die Zuschauer
jubelnd Beifall klatschten.
Beide Stämme tanzten um die Feuer herum, als der Stiertanz
vorbei war. Die Krieger veranstalteten einen Wettbewerb, um zu sehen, wer durch
die höchsten und breitesten Feuer springen konnte, und mehr als einer von ihnen
stürzte dabei in die Flammen, musste schreiend aus der Glut gezerrt werden. Die
alten Leute und die Kinder hüpften über die kleinsten Feuer, zuletzt wurde das
neu geborene Vieh des Stammes durch die glühenden Kohlen getrieben. Einige
Leute bewiesen ihren Mut, indem sie barfuß über die Glut liefen, allerdings
erst, nachdem die Priester eine Zauberformel gesprochen hatten, um zu
verhindern, dass sie sich die Füße verbrannten. Sannas, die das Ganze vom
Eingang ihrer Hütte her beobachtete, schnaubte verächtlich über das Ritual. »Es
hat nicht das Geringste mit irgendwelchen Zauberformeln zu tun«, brummte sie
griesgrämig. »Solange ihre Füße trocken sind, tut es nicht weh; aber wehe,
jemand hat feuchte Füße! Dann kann man ihn Bocksprünge wie ein Lämmchen
vollführen sehen.« Sie kauerte vor ihrer Hütte, und Camaban hockte neben ihr.
»Du kannst auch über die Flammen springen, Kind«, schlug sie vor.
»Ich k-k-kann nicht springen«, brachte Camaban heraus,
während er vor lauter Anstrengung, nicht zu stottern, das Gesicht verzog. Er
streckte sein linkes Bein aus, sodass der Widerschein des Feuers über die
unförmige Masse seines Fußes flackerte. »Und wenn ich es versuchte«, ergänzte
er und blickte auf seinen Fuß, »würden sie mich nur auslachen.«
Sannas hielt einen menschlichen Oberschenkelknochen in
der Hand. Er hatte ihrem zweiten Ehemann gehört, einem Mann, der versucht
hatte, sie gefügig zu machen. Sie beugte sich vor und klopfte mit dem Knochen
leicht gegen Camabans grotesk anmutende Gliedmaße. »Ich kann das reparieren«,
behauptete sie; dann wartete sie auf Camabans Antwort und war enttäuscht, als
er nichts sagte. »Aber nur, wenn ich will«, fügte sie grausam hinzu, »und es
kann gut sein, dass ich nicht will.« Sie zog ihren Umhang um ihren mageren
Körper. »Einst hatte ich eine verkrüppelte Tochter«, fuhr sie fort. »Ein ganz
seltsames kleines Ding war sie. Eine bucklige Zwergin. Ihr Körper war völlig
verdreht.« Sie seufzte bei der Erinnerung. »Mein Ehemann erwartete von mir,
dass ich sie heilen würde.«
»Und? Hast du das getan?«
»Ich habe sie Lahanna geopfert. Sie ist in dem Graben dort
beerdigt.« Sie zeigte mit dem Knochen auf den Südeingang des Heiligtums.
»Warum würde Lahanna einen K-K-Krüppel haben wollen?«,
erkundigte Camaban sich.
»Um sich über ihn lustig zu machen, natürlich«, höhnte
Sannas.
Camaban lächelte über diese Antwort. Er war bei Tageslicht
zu Sannas' Hütte gegangen, und die Mädchen hatten beim Anblick seines
verkrüppelten Fußes entsetzt aufgekeucht,
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