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Cromwell, Bernard

Cromwell, Bernard

Titel: Cromwell, Bernard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stonehenge
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zusammen.
    Eine Eule schrie. Der einzige Trost des Jungen waren die
Sterne seiner Ahnen, das kalte Licht Lahannas, das die Blätter versilberte, und
seine Gedanken an Derrewyn. Er dachte sehr oft an sie, beschwor ein Bild ihres
Gesichts vor seinem inneren Auge herauf. Als er nun gerade an sie dachte,
blickte er auf und sah einen hellen Lichtstreifen über die Sterne gleiten - in
diesem Moment stieg ein Gott auf die Erde herab, was er als ein Zeichen
auffasste, dass er und Derrewyn füreinander bestimmt waren.
    Fünf Tage und Nächte lang verbarg er sich im Wald, wagte
sich nur im trüben Zwielicht des Tagesanbruchs und der Abenddämmerung aus
seinem Versteck, um nach Nahrung zu suchen. Er entdeckte eine Lichtung am Fuß
des Grates, wo der Bach eine weiten Bogen beschrieb; dort fand er Kerbel und
Knoblauch. Er pflückte Sauerampfer, Schwarzwurzblätter und fand ein paar
Geißkleeknospen, obwohl sie bitter schmeckten, weil ihre Saison fast vorbei
war. Am meisten freute er sich über die Morcheln, die er ein Stück höher auf
dem Grat fand, wo eine große Esche umgestürzt war. Er trug sie zu seinem Platz
in der Ulme zurück und pflückte die Kugelasseln aus den Lamellen, bevor er die
Morcheln verzehrte. An einem Tag gelang es ihm sogar, eine kleine Forelle aus
den Schlingpflanzen am Uferrand des Baches zu fangen, und gierig nagte er an
dem rohen Fleisch. Nachts kaute er das Gummiharz, das aus Birkenrinde
austritt, und spuckte es aus, wenn es allen Geschmack verloren hatte.
    Jegar hatte die Verfolgungsjagd endgültig aufgegeben, was
Saban allerdings nicht wissen konnte; eines Abends bei Einbruch der Dunkelheit,
als er gerade bei der verfaulenden Esche nach weiteren Morcheln suchte, hörte
er plötzlich Schritte auf dem laubbedeckten Waldboden und erstarrte vor
Schreck. Der umgestürzte Baum verbarg ihn zwar, aber es war ein ziemlich
unsicheres Versteck, und sein Herz begann zu rasen.
    Einen Moment später marschierte eine Reihe fremdländischer
Speerkämpfer vorbei. Sie waren alle große, kräftige Männer, trugen Speere mit
Bronzespitzen und hatten eintätowierte graue Streifen im Gesicht. Es begleiteten
sie keine Hunde, und sie schienen mehr darauf bedacht, den Grat zu verlassen,
als nach Beute zu suchen. Saban hörte sie durch den Bach plantschen, hörte das
Flattern und Flügelklatschen, als die Wasservögel vor ihnen flohen - dann
herrschte wieder Stille.
    Die letzte Nacht war die schlimmste für Saban. Es regnete
unaufhörlich, und der Wind blies so stark, dass das Rauschen und Ächzen der
Bäume lauter war als je zuvor, während sie ihre Wipfel unter dem nassen Himmel
hin- und herwarfen. Äste knackten, und weit in der Ferne tobte Rannos, der Gott
des Donners, in der Dunkelheit. Außerdem war es finster, schrecklich finster,
ohne dass auch nur eine Spur von Lahannas Licht durch die dicke Wolkendecke
drang. Die Finsternis war noch schlimmer als die Kälte, denn diese Nacht zog
sich schier endlos hin, angefüllt mit zahllosen Schrecken; in ihrem schwarzen
Grauen hörte Saban etwas Riesiges und Schwerfälliges durch die Wälder toben,
und er kauerte sich furchterfüllt auf seiner Plattform zusammen, während er an
die Geister der Toten dachte und an ihre Gier nach Menschenfleisch, bis er -
durchnässt, frierend und hungrig - schließlich die regenfeuchte Dunkelheit oberhalb
des Grates einer fahlen Morgendämmerung weichen sah. Als der Himmel allmählich
heller wurde, ließ auch der Regen nach, und dann ertönten die Ochsenhörner, um
zu verkünden, dass die erste der schweren Prüfungen beendet war.
    Zweiundzwanzig Jungen hatten Ratharryn verlassen, aber nur
siebzehn kehrten zurück. Einer war spurlos verschwunden und ward nie wieder
gesehen; zwei waren von den Jägern aufgespürt und nach Ratharryn zurückgetrieben
worden; und zwei weitere hatten derartige Angst vor der Dunkelheit des Waldes
gehabt, dass sie freiwillig in die Siedlung heimgekehrt waren, bereit, jede
Demütigung auf sich zu nehmen. Aber die siebzehn, die sich jetzt in Slaols
Tempel versammelten, durften ihr Haar zu einem lockeren Knoten im Nacken zusammenschlingen;
dann folgten sie den Priestern den Pfad hinunter, der zu Ratharryns Eingang
führte, und ihr Weg war von Frauen gesäumt, die ihnen Teller mit Fladenbrot und
kaltem Schweinefleisch sowie Dörrfleisch entgegenstreckten. »Esst!«, drängten
sie die Jungen. »Ihr müsst doch schrecklich hungrig sein, esst!« Aber so
ausgehungert sie auch waren, keiner von ihnen rührte das Essen an, denn

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