Cronin, Justin
worden und standen
einander gegenüber vor dem Kamin. Dazwischen war ein kleiner Holztisch, unter
dem ein verschlissener Wollteppich lag. Der Boden unter ihren bloßen Füßen war
sauber gefegt. Theo hatte ein paar Decken über das Sofa gelegt und die Ränder
zwischen die Polster gestopft, um die fadenscheinigen und fleckigen Stellen zu
verbergen.
Aber das Interessanteste waren die Bilder.
Vergilbte Fotografien, auf denen immer dieselben Leute waren, unterschiedlich
alt und unterschiedlich gruppiert, aber immer vor dem Haus, in dem Mausami
jetzt stand. Ein Mann, eine Frau und drei Kinder, ein Junge und zwei Mädchen.
Die Fotos waren anscheinend in Abständen von einem Jahr aufgenommen; auf jedem
waren die Kinder ein bisschen größer als auf dem vorigen. Der Jüngste, auf dem
ersten Bild ein Baby auf dem Arm seiner Mutter - einer müde aussehenden Frau
mit Sonnenbrille im Haar -, war auf dem letzten Bild ein Junge von fünf oder
sechs Jahren. Er stand vor seinen älteren Schwestern, grinste frech in die
Kamera und zeigte eine Zahnlücke. Auf seinem T-Shirt stand etwas, womit Mausami
nichts anfangen konnte: UTAH JAZZ.
»Die sind toll, was?«
Mausami drehte sich um. Theo stand in der
Küchentür. »Wo hast du sie gefunden?«
Er kam zu ihr und nahm das letzte Foto, das mit
dem grinsenden Jungen, in die Hand. »Sie waren in einem kleinen Kabuff unter
der Treppe. Siehst du das hier?« Er klopfte mit dem Finger auf das Glas. Im
Hintergrund, am Rand des Bildes, stand ein Auto, vollgepackt bis obenhin, und
noch mehr Gepäck war auf dem Dach festgezurrt. »Das ist das Auto, das wir in
der Scheune gefunden haben.«
Mausami betrachtete die Fotos noch eine Weile.
Wie glücklich sie alle aussahen. Nicht nur der grinsende Junge, sondern auch
seine Eltern und seine Schwestern. Alle.
»Glaubst du, sie haben hier gewohnt?«
Theo nickte und stellte das Foto zurück zu den
andern auf dem Kaminsims. »Ich vermute, sie sind vor dem Ausbruch hergekommen
und dann hier gestrandet. Oder sie haben einfach beschlossen, hierzubleiben.
Und vergiss die vier Gräber im Garten nicht.«
Mausami überlegte kurz. Sie wollte darauf
hinweisen, dass es vier Gräber waren, nicht fünf. Aber dann erkannte sie ihren
Fehler. Das vierte Grab musste der letzte Überlebende gegraben haben, und er
hatte sich nicht selbst begraben können.
»Hunger?«, fragte Theo.
Sie fuhr mit den Fingern durch ihr schmutziges
Haar. »Was ich wirklich gern hätte, wäre ein Bad.«
»Zufällig habe ich mir so etwas gedacht.« Er
lächelte listig. »Komm mit.«
Er führte sie in den Garten hinaus. Ein großer
gusseiserner Kessel hing an einer Kette über einem Haufen glühender Asche, und
daneben stand ein Blechzuber, lang und tief genug für eine Person, um darin zu
sitzen. Mit einem Plastikeimer füllte er den Zuber mit Wasser aus der Pumpe,
und dann packte er den Kessel mit einem dicken Lappen und goss den dampfenden
Inhalt ebenfalls dazu.
»Na los, steig schon rein«, sagte er.
Sie war plötzlich verlegen.
»Schon gut«, sagte er. »Ich sehe nicht zu.«
Nach allem, was gewesen war, kam es ihr albern
vor, sich vor ihm zu genieren. Aber sie tat es. Theo wandte sich ab, und sie
zog sich hastig aus und blieb einen Moment lang nackt in der Herbstsonne
stehen. Die Luft war kühl an der straffen Haut ihres gewölbten Bauches. Sie
ließ sich in das Wasser gleiten, und es bedeckte ihren Bauch und die
geschwollenen Brüste, die von blauen Adern durchzogen waren. »Okay, wenn ich
mich umdrehe?«
»Ich fühle mich so dick, Theo. Ich kann nicht
glauben, dass du mich so sehen willst.«
»Du wirst noch dicker werden. Daran musst du
dich gewöhnen.«
Wovor hatte sie Angst? Sie hatten miteinander geschlafen,
aber sie wollte nicht, dass er sie nackt sah? Sie hatten sich seit Tagen nicht
einmal mehr berührt. Dabei wartete sie darauf, dass er es tat: dass er die
Barriere zwischen ihnen überschritt, jetzt, da sie allein waren.
»Es ist okay. Du kannst dich umdrehen.«
Er zog kurz die Brauen hoch, als er sie sah.
Aber nur kurz. Er hielt eine rußgeschwärzte Bratpfanne in der Hand, und darin
war eine glitzernde, feste Substanz. Er stellte sie neben dem Zuber auf den
Boden und schnitt mit seinem Messer ein keilförmiges Stück heraus.
»Mein Gott, Theo. Du hast Seife gemacht?«
Er zuckte die Achseln. »Meine Mutter hat mir das
gezeigt. Ich weiß aber nicht, ob ich genug Asche genommen habe. Das Fett ist
von einer Gabelantilope, die ich gestern Morgen geschossen habe. Das
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