Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
Vom Netzwerk:
Im
nächsten Tal stießen sie auf eine lehmige Piste, zerfurcht von Hufabdrücken und
Reifenspuren. Dichte Wolken waren von Westen her aufgezogen; man roch und
fühlte den Regen kommen. Als die ersten Tropfen fielen, trug der Wind
Holzrauch zu ihnen hin.
    Major Greer trat neben Peter. Er war ein großer,
kräftiger Mann mit einer Stirn, die so zerfurcht war, dass sie aussah wie
gepflügt. Er mochte vierzig Jahre alt sein, und er trug einen locker
sitzenden, grün und braun gefleckten Tarnanzug mit einem breiten Gürtel, der
sich straff um die Taille schlang. Seine Taschen waren prall gefüllt mit seiner
Ausrüstung. Über den kahlrasierten Schädel hatte er eine Wollmütze gezogen.
Wie bei allen seinen Leuten, einem Trupp von fünfzehn Mann, war sein Gesicht
mit Holzkohle und Erde beschmiert, was das Weiße der Augen erschreckend
lebendig erscheinen ließ. Sie sahen aus wie Wölfe, wie Kreaturen des Waldes;
wie der Wald selbst. Seit Wochen waren sie im Wald unterwegs, eine
Langstrecken-Patrouille.
    Greer blieb auf dem Weg stehen und schulterte
sein Gewehr. Im Halfter an seiner Hüfte steckte eine schwarze Pistole. Er
trank in tiefen Zügen aus seiner Wasserflasche und deutete dann damit zum Berghang.
Es war jetzt nicht mehr weit. Peter spürte es daran, dass Greers Männer
schneller wurden. Eine heiße Mahlzeit, ein Feldbett zum Schlafen, ein Dach über
dem Kopf.
    »Gleich hinter dem nächsten Höhenkamm«, sagte
Green In den letzten Stunden war zwischen ihnen etwas entstanden, das sich für
Peter anfühlte wie der Beginn einer Freundschaft. Nach dem anfänglichen
Durcheinander ihrer Gefangennahme, das noch dadurch verschlimmert wurde, dass
keiner von beiden sagen wollte, wer er war, war es Michael gewesen, der die
Pattsituation beendete. Er hob sein Gesicht aus der Kotze und rief: »O fuck. Ich ergebe mich. Wir sind aus Kalifornien, okay? Kann mich
bitte jemand erschießen, damit der Boden aufhört, sich zu drehen?«
    Greer schraubte seine Flasche zu, und Alicia kam
von hinten heran. Von Anfang an war sie ungewöhnlich schweigsam gewesen. Sie
hatte keine Einwände erhoben, als Greer ihnen befohlen hatte, unbewaffnet
weiterzugehen. Das passte eigentlich überhaupt nicht zu ihr. Aber wahrscheinlich
stand sie nur unter Schock, wie sie alle. Während des ganzen Marsches war sie
schützend an Amys Seite geblieben. Vielleicht, dachte Peter, schämte sie sich
einfach dafür, dass sie sie geradewegs in die Falle der Soldaten geführt
hatte. Was Amy anging, so schien sie diese neue Wendung so aufzunehmen, wie sie
alles aufnahm: neutral und wachsam.
    »Wie ist es da?«, fragte er Greer.
    Der Major zuckte die Achseln. »So, wie Sie es
sich vorstellen. Eine Riesenlatrine. Aber besser, als draußen im Regen zu
sitzen.«
    Als sie die Kammhöhe erreicht hatten, kam die
Garnison in Sicht. Sie schmiegte sich unter ihnen in ein muldenförmiges Tal:
eine Ansammlung von Segeltuchzelten und Fahrzeugen, umringt von einem Palisadenzaun
aus angespitzten Pfählen, mindestens fünfzehn Meter hoch. Der Fuhrpark bestand
aus etwa einem halben Dutzend Humvees, zwei Tanklastern sowie einer ganzen
Reihe von kleineren Trucks, Pick-ups und Fünftonnern mit schweren,
schlammverkrusteten Reifen. Ringsum am Zaun zählte er ein Dutzend große
Flutlichtscheinwerfer auf hohen Masten, und auf einer Koppel am anderen Ende
des Geländes grasten ein paar Pferde. Zwischen den Gebäuden und auf den
Beobachtungstürmen waren Soldaten postiert. In der Mitte der Anlage, alles
überragend, flatterte eine große Flagge im Wind: rot, weiß und blau mit einem
weißen Stern in der Mitte. Das Ganze konnte nicht mehr als einen halben
Quadratkilometer groß sein, aber von oben sah es aus wie eine ganze Stadt: das
Herz einer Welt, an die er immer geglaubt hatte, ohne sich je ein Bild davon zu
machen.
    »Sie haben Licht«, sagte Michael. Die Männer aus Greers Einheit zogen an ihnen
vorbei, den Berg hinunter.
    »Was denkst du denn?«, sagte einer namens Muncey
- ein Corporal, kahl geschoren wie alle andern, und mit breitem
Schiefe-Zähne-Lächeln. Die meisten von Greers Männern gaben sich soldatisch
wortkarg und redeten nur, wenn man sie ansprach. Aber Muncey schwatzte wie ein
Vogel. Passenderweise war er für das Funkgerät zuständig, das er auf dem Rücken
trug, ein Gerät mit einem Generator, dessen Handkurbel unten herausragte wie
ein Schwanz.
    »Hinter dem Zaun da?«, sagte er grinsend. »Da
ist Texas. Was wir hier nicht
haben, brauchst du nicht.«
    Sie waren keine

Weitere Kostenlose Bücher