Crossfire 1: Kontakt
dann?«
»Dann werden sie die anderen Siedlungen des Experiments
finden.«
Jake und Karim sahen einander verwirrt an. Zögernd fragte
Jake: »Andere Siedlungen? Was für andere
Siedlungen?«
»Auf anderen Planeten.«
Karim ließ ein langes, leises Pfeifen hören, ein
überraschender und seltsam melodischer Laut. Sofort sagte Beta:
»Mach dieses Geräusch noch mal.«
Karim blickte Jake an, und der nickte. Karim wiederholte sein
Pfeifen und fügte acht Takte aus den »Geschichten aus dem
Wienerwald« ein.
»Ich wusste gar nicht, dass du pfeifen kannst«, bemerkte
Jake. Menschen waren immer wieder überraschend.
»Noch mal«, verlangte Beta, und trotz der mechanischen
Ausdruckslosigkeit des Übersetzers fühlte sich Karim
ermuntert. Er pfiff noch mehr von dem Walzer, dann ein
komplizierteres Stück, das Jake nicht kannte, und
schließlich protzte er mit einer Auswahl an Vogelrufen. Dann
hielt er auf einmal inne und wirkte auf Jake etwas verlegen.
»Es bringt Licht in meine Seele«, sagte Beta.
Das war deutlich Shipleys Ausdrucksweise. Aber Jake fühlte
sich merkwürdig gerührt. In seiner Trauer hatte die Ranke
eine Art Trost in menschlicher Musik gefunden. Vielleicht gab es auf
dem Heimatplaneten, wo die Ranken schweigend und träumend in der
Sonne standen, auch so etwas wie Vögel. Die Ranken
kommunizierten auf chemischem Wege, aber das musste nicht bedeuten,
dass sie nicht auf eine eigenartige Weise Laute wahrnahmen.
»Ich werde später noch mehr für dich pfeifen, wenn
du möchtest«, bot Karim schüchtern an.
»Danke, Karim«, sagte Jake. »Beta, was habt ihr
für andere Siedlungen auf einem anderen Planeten? Noch mehr
Pelzlings-Experimente?«
»Die gleichen Experimente. Andere Umgebung. Wir kennen den
Planeten der Pelzlinge nicht. Wir waren nie auf dem Planeten der
Pelzlinge.«
Jake versuchte, daraus schlau zu werden. »Du meinst, ihr habt
die gleiche Art experimenteller Pelzlinge doppelt erschaffen, unter
verschiedenen Umweltbedingungen? Um herauszufinden, welche Art von
genetischer Veränderung sich am deutlichsten auswirkt? Zwei von
jedem Experiment?«
»Vier«, sagte Beta.
Vier. Vier Planeten, die für DNA-basiertes,
Sauerstoff/Kohlenstoff/Stickstoff-atmendes, vernunftbegabtes Leben
geeignet waren. Für Pelzlinge. Für Menschen. Wie lange
hatten die Ranken danach suchen müssen? Wie lange lief dieses
Experiment schon? Jake wusste, dass relativistische Zeitverschiebung
dafür sorgte, dass auf einem Planeten Hunderte von Jahren
vergingen, an Bord eines Raumschiffs jedoch nur wenige. Das erlaubte
es den Ranken, über Generationen an Pelzlingen zu
experimentieren. Doch diese Hunderte von Jahren mussten auch auf den
Heimatwelten der beiden Spezies vergangen sein. Was für eine
Rasse führte über Jahrtausende Krieg?
Einst hatten die Menschen, in einer sehr viel begrenzteren Region,
einen Krieg ausgetragen, der als »Hundertjähriger
Krieg« bekannt wurde.
Karim platzte heraus, als könne er die Frage nicht
länger zurückhalten: »Warum nehmt ihr den
Heimatplaneten der Pelzlinge nicht einfach mit dem Vakuumantrieb auf
eurem Mutterschiff unter Beschuss?«
»Das tun wir nicht.«
Da war er wieder, der Pazifismus. Oder vielleicht war es auch
etwas anderes. »Habt ihr diese Raumschiffe gebaut?«, fragte
Jake. »Das Mutterschiff, das ihr in der Umlaufbahn
hattet?«
»Das Mutterschiff wurde von den Pelzlingen gebaut. Wir
benutzen es. Sie haben viele. Wir benutzen viele. Wir denken zu Hause
in der Sonne über diese Schiffe nach.«
Karim sagte zu Jake: »Wenn das alles gestohlene Technologie
ist, dann können sich die Pelzlinge gegen einen direkten Angriff
natürlich verteidigen. Aber… wie haben die
Ranken…?« Verwirrt wandte er sich wieder an Beta: »Wie
konntet ihr so viele Pelzlingsschiffe erbeuten? Wie seid ihr an die
Technologie gekommen… über die ihr in der Sonne
nachdenkt?«
Beta schwieg, und Jake dachte schon, dass die Ranke nicht
antworten würde. Dann aber sah er, dass sich der Schlitz am
Wagen öffnete und der Bio-Arm hervorschlängelte. Beta
würde eine Art Zeichnung anfertigen, und das würde eine
Weile dauern.
Jake verdrehte den Oberkörper und sah sich um. Müller
stand etwas entfernt und machte Kniebeugen. Er sah wieder okay aus.
Dr. Shipley lag der Länge nach ausgestreckt auf dem Boden, einen
Arm vors Gesicht geschlagen. Jake ging zu ihm.
»Er schläft«, erklärte Müller. »Mr
Holman, keine meiner Waffen konnte gegen den Schild der Pelzlinge
etwas ausrichten. Wieso?«
Jake
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