Crossfire 2: Feuerprobe
Dunkelheit zusammen. Die meisten waren
Angloamerikaner, einige Chinesen. Ein paar Leute erkannten Alex und
nickten ihr zu. Niemand fragte, ob es ein echter Angriff war, und
niemand wirkte verärgert oder ängstlich. Vielleicht
würde es doch funktionieren.
»Eine so umfassende Übung ist nicht nötig«,
hatte Lau-Wah eingewandt. »Wir können die Evakuierung
proben, ohne dass die Alten und Kranken da mitmachen müssen. Und
ohne die gesamte städtische Infrastruktur lahm zu legen. Und
ganz besonders ohne den EMP. Wir könnten…«
»Die Stadt wird vollständig geräumt!«, hatte
Julian Martin widersprochen.
»Und was ist, wenn zum Beispiel’ eine Frau ein Kind
bekommt?«, hatte Ashraf Shanti eingewandt.
»Dann wird sie es unterwegs bekommen«, hatte Julian
Martin erwidert. »Ich bin mir sicher, das wäre ihr lieber,
als wenn ihr neugeborenes Kind in die Hände der Pelzlinge
fällt.«
Ashraf hatte nichts mehr dazu gesagt.
Bei dem Zelt, das als Hangar für den Gleiter diente, sprang
Alex aus dem Zug. Zu ihrer Erleichterung hatte Julian den Gleiter
nicht ebenfalls verschwinden lassen. Die Sitze waren alle von
Wissenschaftlern und Ingenieuren besetzt, und so hockte sich Alex
für den kurzen Flug zum Kommandobunker Nummer drei auf den
Boden. Neben ihr kauerte ihre Technikerin, Natalie Bernstein, die
ansonsten ebenfalls den Geländewagen hätte nehmen
sollen.
»Jetzt geht’s los, Alex!«, sagte Natalie. Alex
nickte ihr knapp zu. Natalie war erst zweiundzwanzig. Ihre Frisur aus
kurzen, drahtigen schwarzen Locken wirkte so zerrauft wie die von
Alex, aber ihr breites Gesicht glänzte vor freudiger Erregung
– einer Erregung, die auch das hohlköpfige
Teenagermädchen an der Haltestelle gezeigt hatte. Allerdings war
Natalie alles andere als hohlköpfig. Sie war schlau und
zuverlässig und für Alex die erste Wahl als
Bunkertechnikerin gewesen, trotz ihrer Jugend.
Der Bunker lag hundert Kilometer nordöstlich von Mira City.
Dieser Standort war sorgfältig ausgewählt worden. Die
Umgebung war wild und dicht bewaldet und lag nahe bei einem Nebenlauf
des Flusses. Andererseits war das Gelände dort nicht zu bergig
und mit Geländewagen oder Gleiter gut zu erreichen. In einem
Umkreis von fünfhundert Kilometern hatte man sechs derartige
unterirdische Bunker verteilt, tief genug gelegen und so schwer
gepanzert, dass sie sogar einem Alpha-Beschuss standhalten konnten.
Ashraf, Lau-Wah, Alex und Julian Martin würden je einen anderen
Bunker aufsuchen, damit ein Angriff der Pelzlinge aus der Umlaufbahn
nicht so leicht die gesamte Führungsspitze auslöschen
konnte.
Die vier Kommandobunker, zuzüglich der beiden, die den
wichtigsten Wissenschaftlern zugewiesen worden waren, waren
untereinander per Computernetz und über Funk verbunden.
Nachdem Alex die kurzen Treppen zum Eingang des Bunkers
hinabgelaufen war, wurde sie von Ben Stoller, Natalies Ersatzmann,
begrüßt. Die Kommandobunker waren durchgehend besetzt.
Ben, ein kräftiger und stiller junger Mann, dessen Ohren stets
rot wurden, wenn er verlegen war, überließ Natalie
schweigend den Platz vor den Anzeigen und nahm im Hintergrund des
winzigen Schutzraums Aufstellung.
Julian meldete sich bereits aus seinem Bunker. »Alex? Wie
sieht es in Mira aus?«
Sie schaute über Natalies Schulter. »Läuft glatt,
soweit ich es beurteilen kann.«
»Die Berichte sagen dasselbe. Major Helf?«
»Das Schiff ist dreihundert Millionen Kilometer
entfernt«, sagte die Stimme von Lucia Helf, Julians Physikerin.
Alex glaubte einen Augenblick lang, dass Lucia Helf
»Schiff« wörtlich meinte. Aber natürlich war es
nur ein Teil der Übung. Sie verfolgten den Anflug eines nur
simulierten Pelzlingsschiffes auf Angriffskurs.
Mit ihrer Art eines McAndrew-Antriebs konnten die Pelzlinge mit
hundert g beschleunigen und abbremsen. Danach aber brauchten sie noch
Zeit, um in eine Umlaufbahn einzuschwenken, um vielleicht die Lage zu
sondieren oder ein Beiboot auszuschleusen – vielleicht aber auch
nicht. Niemand wusste, was die Pelzlinge tun würden. Was auch
immer es war, wie viel Zeit auch immer es in Anspruch nehmen
würde – das war die Zeit, die ihnen für die
Evakuierung von Mira City zur Verfügung stand. Vielleicht sechs
Stunden von dem Zeitpunkt an, da die Orbitalsonden das Schiff
orteten. Oder sechs Tage. Oder sechzig Tage. Die Übung legte die
geringstmögliche Zeitspanne zugrunde.
Paul Ramdi, ein Energieanlageningenieur, meldete sich über
den offenen Kanal: »Alle
Weitere Kostenlose Bücher