Crossfire 2: Feuerprobe
Körper. Gierig hob sie
das Gesicht und küsste ihn.
Im Bett war er zärtlich und geschickt. Geübt, dachte sie ohne Bitterkeit. Und dann dachte sie gar nichts
mehr.
Als sie wieder aufwachte, lag er immer noch neben ihr, auch wenn
er nicht schlief. Sie tastete nach ihm, und diese süße
Wärme fuhr erneut durch ihren Leib, zusammen –
unpassenderweise – mit diesem albernen Liedchen, das die jungen
Greenies so gerne sangen:
Auf Greentrees sind wir sicherlich,
Doch ist es sicher? Ich weiß es nicht!
Wie könnte ich auch sicher sein?
Ich denk doch nur an dich alleiiin!
Alex lachte laut auf: vor Freude, vor Wohlgefühl, vor
Belustigung.
»Was hast du, Alex?«
Sie sang ihm dem Gassenhauer vor. Julian lächelte. Es war
nicht sein übliches zurückhaltendes Lächeln, sondern
ein seltenes breites Grinsen. In der Morgendämmerung, die gerade
eben erst durch das Fenster kroch, war es kaum zu sehen. Er
küsste sie leidenschaftlich.
Erst später, sehr viel später, wurde sich Alex bewusst,
dass sie nicht ein einziges Mal an Kamal gedacht hatte.
13. KAPITEL
MIRA CITY
Neunundzwanzig von Julians frisch rekrutierten
Sicherheitskräften waren Chinesen. Der Rest bestand aus den
Gruppen der Angloamerikaner und Araber – abgesehen von drei
weiteren jungen Männern!
»Da wollen ein paar Neue Quäker mit dir sprechen«,
sagte Siddalee zu Alex.
Sie blickte von ihrem voll gepackten Schreibtisch auf.
»Wer?«
»Freund JohnGarnette und seine Frau.« Siddalee
betonte das »Freund« abschätzig. Sie hatte schon oft
ihr Missfallen über diese Bezeichnung geäußert,
insbesondere dann, wenn sie selbst so angesprochen wurde: »Das
sind nicht meine Freunde. Ich kenne sie kaum.« Heute achtete
Siddalee allerdings mehr auf Alex, nicht auf die Garnettes. »Du
kämmst dir mittlerweile jeden Tag das Haar. Und du trägst
eine neue Stola.«
»Führ sie herein, Siddalee.«
»Hier ändert sich ja so allerhand.«
»Führ sie herein!«
Die Garnettes waren im mittleren Alter, mit blassen Gesichtern und
kraftlos wirkenden Körpern. Sie trugen beide einfache graue
Threadmores, gemäß dem Grundsatz der Schlichtheit, einer
der vier religiösen Grundsätze der Neuen Quäker:
Schlichtheit, Stille, Wahrheit und Dienen.
»Danke, dass du uns empfängst, Freundin Cutler. Mein
Name ist John Garnette, und das ist meine Frau Thandie. Uns
gehört die Fabrik an der P-Street, die Mira City mit Rohren
aller Arten versorgt.«
»Oh, ja«, antwortete Alex. Neue Quäker führten
oft eigene Unternehmen. Ihre Betonung der Schlichtheit bedeutete
nicht, dass sie Bildung oder Besitz ablehnten. Sie wollten sich nur
nicht von ihrer Bildung oder ihrem Besitz beherrschen lassen. Der
Glaube und die Familie hatten stets Vorrang. Als Geschäftsleute
waren sie ehrlich, fleißig und zielstrebig. »Ohne die
Quäker würde Mira längst nicht so gut
zurechtkommen«, hatte Julian einmal nachdenklich angemerkt.
»Nicht einmal halb so gut.«
Beim Gedanken an Julian empfand Alex eine Leidenschaft, die sie
sogleich unterdrücken musste. Jetzt nicht!
»Wir haben zwei Kinder«, fuhr John Garnette fort.
»Alicia ist elf Jahre alt und Simon neunzehn. Wir sind wegen
Simon hier.«
Alex nickte. Sie konnte sich schon denken, was als Nächstes
kam.
»Er hat sich der persönlichen Polizeitruppe von Freund
Martin angeschlossen«, erklärte Garnette. Alex war
verblüfft, sowohl von der Umschreibung »persönliche
Polizeitruppe« als auch von der Heftigkeit, mit der diese
ausgesprochen worden war. »Simon lernt dort, mit Waffen
umzugehen. Zu töten. Wir Neuen Quäker glauben an die
Gewaltlosigkeit, Freundin Cutler. Sie wissen das sicher. Jedes
menschliche Wesen trägt den Funken göttlichen Lichtes in
sich, und deshalb ist jede Gewalt gegen einen anderen auch eine
Gewalttat gegen Gott selbst.«
Ihr Leid war greifbar, das altbekannte Leid der Eltern über
geliebte Kinder, die ihre eigenen Wege gingen. »Ich
fürchte, Simon sieht das anders«, erklärte Alex sanft.
»Er hat erkannt, dass die Stadt bedroht wird, und hält es
für seine Pflicht, sie zu verteidigen. Er folgt seiner eigenen
persönlichen Überzeugung. Legen die Quäker nicht
großen Wert darauf, dass man nach seinen Überzeugungen
handelt? Dass man seinem inneren Licht folgt?«
Thandie Garnette konnte sich nicht länger zurückhalten.
»Das ist richtig«, warf sie ein. »Aber die Wahrheit
offenbart sich am besten, wenn man sein Licht teilt. Deshalb tauschen
wir auch unsere Gedanken in der Zusammenkunft aus,
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