Crusie, Jennifer - Der Cinderella-Deal
Sanger. Irgendwie war das Sanger-Bild anders als die anderen. Die Rot- und Schwarztöne waren intensiver, wütender geworden. Die Formen um die zentrale, in Grau gehüllte Figur herum waren schärfer. Ihre winzigen schwarzen Augen brannten sich wie kleine schwarze Löcher in die Leinwand.
»Das ist erstaunlich«, sagte Linc, als sie es ihm im November zeigte. »Es ist genau wie mein Buch. Wenn ich einen Verlag finde, könnten wir es vielleicht als Cover nehmen. Hättest du was dagegen?«
Zu benommen, um nur ein einziges Wort zu sagen, schüttelte Daisy langsam den Kopf.
»Deine anderen Sachen mag ich auch«, sagte er, bevor er zurück ins Arbeitszimmer ging, um weiterzuschreiben. »Aber dieses hier ist anders. Du hast dich wirklich weiterentwickelt.«
Das habe ich, dachte Daisy, wenn auch noch nicht genug. Sie war noch nicht dort angekommen, wo sie hinwollte. Aber das Sanger-Bild war stärker als ihre früheren Arbeiten. Der Deal funktionierte.
Außer dass ich alles haben will, dachte sie bei sich. Ich liebe unseren Gedankenaustausch. Aber das Körperliche will ich auch.
Vielleicht könnte sie sich eines Abends, wenn sie wieder besonders leidenschaftlich über ein Thema diskutierten, einfach zu ihm hinüberlehnen und ihn küssen. Sie versuchte, sich die Geschichte auszumalen. Wie Linc sie in seine Arme reißen und ausrufen würde: »Mein Gott, wie konnte ich nur so blind sein?« Aber es würde nie wahr werden. Das war nicht Linc. Stattdessen würde er sich beschämt zurückziehen und sein Essen wieder auf dem Tablett mit nach oben nehmen. Und sie würde die wunderbaren Gespräche vermissen, die ihr so wichtig geworden waren. Es war das erste Mal, dass sie nicht das richtige Ende für eine Geschichte fand, und das brachte sie ein bisschen aus dem Konzept.
Du hast gerade mehr, als sich die meisten Frauen jemals erträumen können, schimpfte sie mit sich selbst. Sei nicht so gierig.
Später konnte Linc nicht mehr genau sagen, wann ihm die Kontrolle über seine Geschichte entglitten war. Die Erkenntnis verfestigte sich nach und nach bei mehreren kurzen Begegnungen. Wie an dem Tag, als er einer älteren Dame die Haustür öffnete, die drei grelle verschiedenfarbige Strickjacken und einen lindgrünen Rock trug. Sie gab ihm einen Kuchen und sagte: »Der ist für Daisy. Sie haben eine reizende Frau.« Forschend sah sie an ihm hoch. »Sie erinnert mich an die Zeit, als ich jung war.«
Sie zieht sich auch an wie Sie, dachte Linc. Aber laut sagte er nur: »Danke, Mrs… äh…«
»Armbruster. Richten Sie Daisy meinen Dank aus.«
»Das werde ich.«
Er brachte den Kuchen in die Küche und stellte ihn vor Daisy auf die Anrichte. »Wer ist Mrs Armbruster?«
»Unsere Nachbarin zur Rechten. Sie ist sehr nett. Gestern habe ich ihr mit dem Rasenmäher geholfen, und dafür wollte sie uns einen Rhabarberkuchen backen.«
So hatte ich mir das nicht vorgestellt, dachte Linc. Aber er sagte nichts, also plauderte Daisy weiter. »Mr Antonelli wohnt auf der anderen Seite. Er war Dozent für Romanistik am College, bevor er in Rente gegangen ist. Er hat gesagt, dass wir dem Hartriegel Kalium geben sollen, sonst blüht er nicht. Und Dr. Banks wohnt gegenüber. Als Annie neulich ausgerissen ist, hat er mir geholfen, sie einzufangen. Daneben ist…«
»Daisy?« Linc knirschte mit den Zähnen, damit er nicht etwas Gemeines sagte wie: »Die Leute sollen bitte nicht wissen, wie komisch du bist.« Doch Daisy erriet seine Gedanken und wurde rot.
»Ich weiß. Ich soll mich zurückhalten. Aber das sind unsere Nachbarn. Wir müssen freundlich sein.«
Am liebsten wollte er sagen: Nein, müssen wir nicht. Aber Daisy aufzufordern, nicht freundlich zu den Nachbarn zu sein, war, wie von Jupiter zu verlangen, keine Flöhe anzuschleppen. Beide meinten es gut. Es lag in ihrer Natur, andere Lebewesen wie magisch anzuziehen.
Ein paar Tage später bot Evan Linc im College das »Du« an und fragte, ob er drei oder vier Mal pro Woche nachmittags im gelben Haus vorbeischauen dürfe. Er beteuerte Linc seine ehrenhaften Absichten. Irritiert von dem Gedanken an Evan, wie er Daisy verführte, nickte Linc. Crawford erwähnte, wie Chickie das tägliche Mittagessen mit Daisy genoss. Kurz darauf berichtete ihm Booker, dass Lacey nachmittags mit Daisy im Badezimmer Efeublätter malte, damit sie sie auch bei ihnen im Esszimmer anbringen konnte. »Möchte ich Efeu in meinem Esszimmer?«, fragte Booker ihn. Und Linc antwortete: »Wenn Lacey ihn dort möchte,
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