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Cruzifixus

Cruzifixus

Titel: Cruzifixus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Dinesh Bauer
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abzudrehen. Mit halbem Ohr hörte er den Moderator gurren und schnurren:
                „…live und nur bei uns auf 96,8: Rainfried von Reichinger!“
                Seine Hand zuckte zurück, als ob er einen elektrisch geladenen Weidezaun berührt hatte. Was machte Rainfried im Studio dieses Scheißsenders? Der „wilde Willy“ beweihräucherte seinen „illustren Gast“ wie ein Leiblakai seine Eminenz:
                „Rainfried Reichinger ist ein Visionär und Macher. Er gilt als ein Hoffnungsträger, der mit einem innovativen, unprätentiösen Verlagsprogramm für frischen Wind in der Szene sorgt!“
                Die Stimme des Radiomanns bebte schier vor Ehrfurcht und devoter Ergebenheit:
                „Auf der Leipziger Buchmesse haben Sie eine Buchreihe zum Thema „Deutschland unterm Hakenkreuz“ einem breiten Publikum präsentiert. Was bewegt Sie als Jung-Verleger dazu, sich mit der Unzeit des Nationalsozialismus auseinanderzusetzen?“
                Simon sah Rainfried vor sich, sah wie er an einer imaginären Havanna sog, sich mit einem eitlen, selbstgefälligen Lächeln zum Mikro vorbeugte, an Sätzen wie an Fingernägeln feilend:
                „Die Verbrechen der Väter laden Schuld auf die Söhne. In einer Zeit in der demokratische Prinzipien und Haltungen oft zur Pose verkommen, ist es mir wichtig die Grundwerte unserer Gesellschaft ins Bewusstsein zu rücken, das Recht auf Gedanken- und Meinungsfreiheit zu reklamieren und einzufordern. Das Erbe des Bösen darf nicht vergessen oder gar tabuisiert werden!“
                Der Moderator erkundigte sich vorsichtig ausweichend:
                „Das Erbe des Bösen. Was verstehen Sie darunter?“
                Rainfried räusperte sich:
                „Es ist mir zu billig der Generation der Väter moralisches Versagen vorzuwerfen. Sie kennen Dostojewski: Schuld und Sühne?“
                Rainfrieds rhetorische Frage verhallte in den Tiefen des Äthers:
                „Der im X-Verlag erschienene Band „Der Diktator im Fadenkreuz: Opfer und Täter“ zeigt eindrücklich, dass es damals sehr wohl Menschen gab, die bereit waren für ihre Überzeugungen einzutreten und notfalls zu sterben!“
                Im Stile einer kriecherischen Hofschranze schmierte ihm der „Willy“ pfundweise Honig ums Maul:
                „Ich hatte vor der Sendung Gelegenheit in ihrem Buch zu blättern und bin ehrlich gesagt, tief beeindruckt. Der Widerstand gegen Hitlers Regime erscheint in einem völlig neuen Licht.“
                Je länger Simon zuhörte, desto gereizter, desto zorniger wurde er. Das glatt gebürstete PR-Gewinsel ging ihm gegen den Strich:
                „Sie liefern Fakten und durchleuchten schonungslos die persönlichen Hintergründe der Attentäter. Andrerseits verhehlen Sie nicht ihre Sympathie für die zu Tätern gewordenen Opfer und schildern in ergreifender Weise den inneren Konflikt sensibler Menschen, die aus Notwehr zu Tyrannenmördern werden.“
                Rainfried räusperte sich erneut:
                „Es mutet heute seltsam altväterisch an, seine Überzeugungen mit letzter Konsequenz zu vertreten. Deswegen ist das Senkblei oft zu kurz, um die historischen Dimensionen einer Tat auszuloten. Ich muss indes vorausschicken, dass ich die Putschpläne von Wehrmachtsoffizieren oder die Aktionen von alliierter Seite wie die Operation Foxley oder Hellhound von vornherein ausgeklammert habe.“
                Neugierig geworden, hakte Willy ein:
                „Operation Hellhound? Waren das nicht die Briten?“
                Ein affektiertes Gehüstel bröselte aus den Boxen:
                „Ganz richtig! Die Sektion X des Amts für Sabotageakte auf feindlichem Territorium in der Baker Street, kurz SOE, beabsichtigte den Berghof samt der dort versammelten Nazi-Größen von einem Fallschirmjägertrupp in die Luft sprengen zu lassen.“
                Simon wurde hellhörig: Operation Höllenhund? Von einer solchen Aktion hatte er noch nie etwas gehört. Bei seinen Recherchen zum Berghof-Buch hatte er jedoch herausgefunden, dass das britische Luftfahrtministerium in den Jahren 43 und 44 mehrmals einen Jagdbomberangriff auf den Obersalzberg starten wollte, um die NS-Führungselite auf einen Schlag

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