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Cruzifixus

Cruzifixus

Titel: Cruzifixus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Dinesh Bauer
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auszuradieren. Die ölige Stimme des Reporters riss ihn aus seinen Gedanken:
                „Im Mittelpunkt ihres Buchs stehen die Biographien von Hitler-Attentätern wie Georg Elser oder Maurice Bavaud, die aus ethisch, moralischen Beweggründen heraus handelten. Wieso?“
                Rainfried kehrte den hehren Humanisten und Philanthropen heraus:
                „Mich faszinieren Menschen mit Idealen, die biblisch gesprochen wider den Stachel löken. Nehmen Sie Bavaud. Er sah in Hitler eine Verkörperung des Teufels, einen Feind des Christentums und eine Gefahr für die gesamte Menschheit. Im Herbst 1938 fuhr er mit dem Zug nach München, um Hitler zu ermorden.“
                Simons Kamm schwoll mächtig an:
                „Dieses Megaarschloch. Macht mein Berghof-Buch schlecht und erzählt mir die Story vom toten Schäferhund. Von wegen die Nazis seien out! Jetzt geht der falsche Sauhund her und bringt eine Buchreihe über die NS-Zeit heraus.“
                Mit wachsender Wut folgte er Rainfrieds Auslassungen, die er in der beckmesserischen Attitüde eines Oberlehrers vortrug:
                „Bavaud stammte aus der Schweiz und studierte an einem Priesterkollegium in der Bretagne Theologie. Er quartierte sich für einige Tage in der Nähe des Obersalzbergs ein und versuchte an Hitler heranzukommen. Als dies misslang, änderte er seine Pläne und fasste den Entschluss Hitler am 9. November, dem Jahrestag des Marsches auf die Feldherrnhalle, aufzulauern. Es gelang ihm sich unter die Zuschauer auf der Ehrentribüne an der Heiliggeistkirche zu mischen. Das Gedränge und Geschiebe auf der Tribüne war jedoch so groß, dass er nicht zum Schuss kam. Enttäuscht und von quälenden Gewissensbissen verfolgt, stieg er in den Zug nach Paris. Bei der Passkontrolle an der Grenze durchsuchte man ihn und stieß prompt auf die Pistole, die noch in seiner Manteltasche steckte. Bavaud wurde von der Gestapo durch die Mangel gedreht und im Mai 1941 in einem Berliner Zuchthaus guillotiniert. Die bewegenden, erschütternden Briefe, die Bavaud aus der Haft an seine Eltern nach Neufchatel geschrieben hat, zeigen, dass er sich in die Rolle des Märtyrers fügte, der seine Tat bedauerte, den Tod zwar fürchtete, aber ihn doch in der Imitatio Christi annahm.“
                Rainfried setzte seinen Schlusspunkt mit Bedacht. Der umtriebige Moderator schien nicht recht zu wissen, ob er Betroffenheit heucheln, oder schnell zum nächsten Programmpunkt überleiten sollte. Er entschloss sich für die zweite Option und flötete fröhlich und sorglos:
                „Vielen Dank Rainfried, schön das du bei uns zu Gast warst! Kommen wir also zum Buch der Woche: Der Kreuzweg des Ketzers von Anselm Juffinger, erschienen im Kadmos Verlag!“
                Simon schaltete das Radio ab. Er konnte nicht glauben, was er da eben gehört hatte. Wieso hatte ihn Rainfried so verarscht? Hitler kam nie aus der Mode. Das Böse war immer eine Zeile wert.
     
    Der Feldweg sah aus wie eine Piste im Amazonasurwald. Tiefe Schlaglöcher und breite Querrillen machten ihn fast unpassierbar. Durch lichtloses Fichtengehölz führte er steil hinab zur Höllmühle. Nomen est omen! Seit etlichen Jahren hauste Vinzenz wie ein Einsiedler in den maroden, halb verfallenen Gebäuden der alten Sägmühle. Es war Simon schleierhaft, wie sich jemand freiwillig an einem solch ungastlichen Ort niederlassen konnte. Vinzenz war indes überzeugt, dass durch die finstere Schlucht eine Art energetische „Überlandleitung“ verlief und die Mühle über einer uralten Thingstätte errichtet worden war. Die Alaunen, eine den keltischen Norikern zugehörige Stammesgruppe, hätten hier einen heiligen Hain mit Menhiren und Steinkreisen angelegt. In dem sakralen Bezirk hätten ihre Druiden ihre Götter angerufen und ihnen Ziegen, Stiere und auch Menschen als Weiheopfer dargebracht. Im Mittelalter hätte die Sekte der Waldbrüder in dem versteckten Tal Zuflucht gesucht. An der Stelle der heidnischen Kultstätte hätten die Wandermönche einige hölzerne Hütten erbaut, um dort ein entsagungsvolles Leben in Demut und Armut zu führen. Simons Großvater, der ein untrügliches Gespür für Wasser- und Kraftadern besaß, hatte den „verruchten Ort“ indes gemieden wie Dracula den Knoblauchzopf. Er war der Ansicht gewesen, dass sich hier unten die Hexen zum Tanz trafen und der Teufel sein

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