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Cruzifixus

Cruzifixus

Titel: Cruzifixus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Dinesh Bauer
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„Grimorium Verum“ oder die „Libri nigri“ - eine Anthologie der schwarzen Magie!“
                Vinzenz neigte sein Haupt wie ein Mime, der nach einem gelungenen Vortrag auf die stürmischen Ovationen seines Publikums wartet. Simon tat ihm den Gefallen:
                „Bravo! Die Päpste praktizieren also eine Art Voodoo-Kult! Und das ganze zeremonielle Brimborium rundherum ist eine verkappte Satans-Show! Urbi et orbi – der Fluch des Pontifex!“
                Vinzenz schenkte dem Gequake seines Assistenten kein Gehör. Er war vollauf damit beschäftigt, die letzten Vorbereitungen für sein Rendezvous mit dem Jenseits zu treffen: er hielt einen brennenden Holzspan wie eine olympische Fackel in die Höhe, um damit das magische Feuer zu entzünden. Überraschenderweise gelang ihm das auf Anhieb. Die mit Spiritus übergossenen Holzscheite brannten wie Zunder. Plötzlich schien es Vinzenz eilig zu haben. Er machte sich an seinem Chemiebaukasten zu schaffen, streute erst ein gelbliches, danach ein rötliches Pülverchen in die hell auflodernden Flammen, um schließlich eine ölige, stechend riechende Essenz ins Feuer zu gießen. Eine Stichflamme schoss empor, die dem Magiermeister beinahe die Barthaare versengte. Erschrocken fuhr dieser zurück. Zum wiederholten Male kamen Simon Zweifel ob der fachlichen Kompetenz des selbst ernannten Alchemisten. Die von ihm verwendeten Utensilien, die eingedellten Emailbecher, die Schmutz starrenden Vitriolen, Tiegel und Schälchen sahen jedenfalls wenig Vertrauen erweckend aus. Vinzenz pflegte zwar das Image des genialischen Visionärs und tiefsinnigen Gelehrten. Hinter der Fassade des gebildeten, gesitteten „Doktor Jekyll“ kam jedoch ein Anderer, die bajuwarische Abart des „Mister Hyde“ zum Vorschein: großspurig, rechthaberisch, grobklotzig. Vinzenz blätterte hastig in der Schwarte, breitete die Arme wie ein flügellahmer Engel und flehte:
                „Elohim, Masafriel, Malgebil!“
                Die Flammen züngelten, schlängelten an den Scheiten empor, bis sie die noch feuchten Eibenzweige erreichten. Sofort begann das Feuer zu qualmen. Schwärzlicher Rauch stieg empor. Vinzenz steckte seine rot geäderte Bordeaux-Nase in das Zauberbuch, so als ob er die Zeilen mit den Augen auffressen wollte:
                „Ego vos invoco et invocando vos coniuro, per eum cui oboediunt omnes creaturae et per hoc nomen ineffabile. Venite, Venite! Ihr Geister kommt hervor – bei Isis, Baal und Thor!“
                Das Feuer flackerte, die Schatten tanzten einen wilden, unheimlichen Reigen. Vinzenz goss Bier auf die glühenden Kohlen. Es zischte und dampfte wie in einem Hexenkessel. Eine rötliche Aura umflammte den in supranaturale Höhen entrückten Maestro. Ein eisiger Hauch aus den Tiefen der Nacht ließ Simon erschaudern, ließ seine Zähne wie die Mühlräder am Wildbach klappern. Waren dies die Vorboten des wilden Heers der Geister? Vinzenz deklamierte wie ein Tragöde im letzen Akt des Dramas:
                „Rimzimi, Rumbini, Ribidix! Kommt’s hervor, Kreuzkruzifix!“
                Hatte das Jenseits den Ruf der Heimat vernommen? Die Flammen verwandelten sich in ein lebendiges Wesen, wanden sich gleich rötlich schimmernden Schlangenleibern, wuchsen sich zur dreiköpfigen Serpens Mercurialis aus. Wie aus weiter Ferne vermeinte Simon die gellenden Schreie der Verdammten zu vernehmen. Wurde er hier Zeuge einer unheimlichen Begegnung der apoklayptischen Art? Furcht und Entsetzen fuhren ihm ins Gebein, ihm wurde bang und bänger. Träumte oder wachte er? Halluzinierte oder delirierte er? Aus der schuppigen Schlangenhaut schälte sich der Quadratschädel des Dechanten! Schreckensbleich stammelte er:
                „Dominikus, sag bist du das?“
                Eine tönerne, unheilschwangere Stimme ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren:
                „Cave ne cadas! Cave ne cadas!“
                Simon trat der kalte Schweiß auf die Stirn. Der Meister hingegen zeigte keine Anzeichen von Furcht. Wie um einen heiligen Eid zu bekräftigen legte er seine Rechte auf das Zauberbuch:
                „Bei den Mächten der Erde, lass uns wissen, wer hat dich Friedlosen auf den Gewissen?“
                Das Wesen aus dem Jenseits stöhnte gequält:
                „Veritas vincit! Veritas

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