Cruzifixus
accord?“
Vroni schnippte einen imaginären Fussel von ihrer Bluse:
„Also. Das Grundmuster ist überall das gleiche. Eine Erzählung versucht eine Handlung mit Hilfe eines Mythos und zwar im Sinne von Intrige, Plot oder Handlungsablauf in eine dramatische Form zu bringen und die verwickelten Handlungsstränge am Ende wieder zusammenzufügen. Dafür stehen, wie du weißt, die Begriffspaare Story und Plot, Fabel und narrativer Diskurs. Voila! Und damit das ganze ins Rollen kommt brauchst du einen handfesten Konflikt zwischen Gut und Böse, zwischen dem Strahlemann mit Sex Appeal und dem zynischen, schurkischen Bösewicht.“
Sichtlich verlegen kraulte Simon seinen Stoppelbart:
„So weit die graue Theorie – und die Praxis?“
Vroni goss etwas Wein in ihr Glas und schaute ihm tief in die Augen:
„Die Praxis? Heute Vormittag haben zwei Forstarbeiter einen grässlich verstümmelten Leichnam im Wald gefunden. Die beiden harten Jungs waren von dem Fund dermaßen schockiert, dass sie vom psychiatrischen Notfalldienst betreut werden mussten.“
Simon konnte den Bluthund in ihm kaum mehr bändigen. Er beugte sich vor, erkundigte sich sichtlich erregt:
„Im Wald soso – und wo genau?“
Vroni ließ sich nicht aus dem Konzept bringen, ließ ihn wie einen Karpfen im Kescher zappeln:
„Bei unserer Bergtour letzten Herbst sind wir doch über den Röhrmoos-Sattel abgestiegen. Ungefähr auf halber Strecke kommt man einem Wegkreuz vorbei.“
Überrascht rief Simon:
„Die Rote Marter? Da war ich früher mit meinem Opa beim Schwammerl suchen.“
Mechanisch nickend fuhr Vroni fort:
„Die Kripo geht davon aus, dass der Täter sein Opfer in einen Hinterhalt gelockt hat. In der Folge kam es zu einer Auseinandersetzung mit tödlichem Ausgang.“
Simon haute mit der Faust auf den Tisch und ereiferte sich:
„Tödlicher Ausgang - ha! Dieses Scheißbeamtendeutsch! Ich denke es hat dort droben ein Gemetzel gegeben?“
Vroni spielte mit dem Goldring an ihrem Finger:
„Du kennst doch unseren Fotografen, den Sagmeister. Kalt wie Hundeschnauze. Den haut so leicht nichts um. Aber der Termin heut war zu viel für ihn. Als er uns die Fotos vom Tatort vorbeibrachte, war er kreideweiß im Gesicht!“
In Vronis Gegenwart überkam ihm manchmal das Gefühl, einen Fauxpas nach dem anderen zu begehen, von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen zu tapsen. Wie ein auf frischer Tat ertappter Missetäter hockte er dann auf der Anklagebank und brachte kein Wort heraus. Ihr inquisitorischer, strafender Blick schien bis in sein Innerstes zu dringen. Und doch: ihre elektrisierende, erotische Ausstrahlung zog ihn immer wieder in einen magischen Bann
„Weiß man schon wer der Tote ist? Gibt es irgendwelche Hinweis auf den Mörder, auf mögliche Motive?“
In ihren auf Hochglanz geschliffenen Diamantaugen funkelte es tückisch. Sie schien zu überschlagen, was ihr Wissen wert war:
„Du kennst die Jungs von der Kripo, die legen sich nur ungern vorschnell fest. In diesem Fall scheint der Sachverhalt jedoch eindeutig zu sein: das Opfer wurde wie bei einer Hinrichtung unter Mafioso per Kopfschuss liquidiert. Post mortem wurde der Leichnam mit einer Kettensäge wie ein Grillhendl fein säuberlich tranchiert: Brust, Keule, Gedärme. Die blutigen Eingeweide hat der Mörder wie einen Blumenkranz auf Hawaii ums Kreuz geschlungen. Im Gelände ringsum fanden sich Blutreste, Knochensplitter, Haut- und Fleischfetzen. Das Ganze erinnert verdächtig an die Szene aus einem Psycho-Thriller. Eine Riesenschweinerei, wenn du mich fragst!“
Das Marterl-Massaker schien Vronis kriminologische Instinkte geweckt zu haben:
„Wir haben vorhin den vorläufigen Autopsiebericht aus der Gerichtspathologie bekommen. Bei der Kugel handelt es sich um kein handelsübliches Kaliber, sondern ein Projektil aus einer Parabellumwaffe.“
Simon orakelte:
„Spezialmunition! Hier war ein Auftragskiller am
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