Cruzifixus
Werk, oder?“
Mit der Abgebrühtheit eines Pathologen konstatierte Vroni:
„Nach dem Tod wurden Kopf und Extremitäten vom Rumpf abgetrennt und die Bauchdecke geöffnet, um die inneren Organe zu entfernen. Der Mörder hat also sein Opfer nicht blindwütig zersägt, sondern es wie ein Sugokoch fein säuberlich zerlegt. Fakt ist: der Kerl versteht sein Handwerk. Eine Motorsäge ist per se nicht unbedingt ein Präzisionswerkzeug.“
Simon kam die Geschichte spanisch vor:
„Was ich nicht verstehe. Wenn der Typ schon so ein cooler Hund ist, warum verscharrt er die Leichenteile nicht einfach? Was soll diese exhibitionistische Inszenierung roher Gewalt?“
Achselzuckend überging Vroni seinen Einwurf:
„Wer weiß was im Kopf eines Psychopathen vorgeht. Vielleicht hat der Wahnsinn Methode, vielleicht will dieser Perverse mit seiner Tat Aufsehen erregen, ein Fanal setzen. Wer weiß?“
Simon machte sich seinen eigenen Reim auf die Absichten des Mörders:
„Und warum ausgerechnet das Kreuz? Denkst du, dass sich da ein Kainit oder ein Satanist ausgetobt hat? Das kommt mir zu abstrus vor. Vielleicht ist unser Mörder gar nicht so verrückt und der Ritualmord nur vorgetäuscht, um falsche Fährten zu legen.“
Simon spekulierte munter drauflos:
„Vielleicht sollte das Opfer gar nicht sterben - und der Mörder musste improvisieren, um die Spuren zu verwischen.“
In Vronis Smaragdaugen glitzerte es gefährlich:
„Du hättest Oberinspektor bei der Kripo werden sollen! Und wieso lauert der Typ seinem Opfer am helllichten Tag auf? Um ihm Angst einzujagen, oder was?“
Ein lichter Moment folgte dem nächsten:
„Vielleicht wollte er ihm ja nur einen Denkzettel verpassen?“
Auf dem Schreibtisch eines Journalisten türmten sich die Horrormeldungen, Hiobsbotschaften und Schreckensbilder. Ein Ferment des Wahnsinns dieser Welt. Simon hatte vieles erlebt: Eifersuchtsdramen, Ehrenmorde und Verzweiflungstaten. Eine blutige Vendetta unter verfeindeten Kosovaren-Clans, ein Bandenkrieg im Rotlichtmilieu – das hier übertraf jedoch alles:
„Paulus Pankraz Paintinger, geboren 1925, wohnhaft in Zellerberg, zweimal geschieden, jetzt verwitwet.“
Vroni schürzte ihre rot lackierten Lippen, kostete den Moment seiner Verwirrung, seiner Sprachlosigkeit aus:
„Anhand der Fingerabdrücke und der isometrischen Daten konnte der Tote zweifelsfrei identifiziert werden. Na was sagst du? Der Amigo-Maestro ermordet! Das bedeutet Überstunden.“
Wie ein Geist aus der Flasche stand Costa plötzlich mit einem Bembel Retsina und einer Bouteille Schnaps vor ihnen:
„Já sas! Eine Ouzo? Darin sind die Tränen der alten Götter!“
Seine raue, brüchige Clochardstimme schien aus den unergründlichen Tiefen des Orkus zu kommen. Costa setzte das schiefe Grinsen eines vom Unglück verfolgten Haderlumpen auf und schenkte die Gläser randvoll:
„Yamas! Prost Gemeinde!“
Der Griechen-Camariere prostete seinen Gästen zu, kippte das schaurige Gesöff auf Ex hinunter und torkelte davon. Mit gespitzten Kußmündchen nippte Vroni an dem Destillat der göttlichen Tränen:
„Ein Grappa ist mir ehrlich gesagt lieber. Aber der Costa ist ja ein ganz ein Süßer, ein richtiger Kavalier der alten Schule.“
Mit einem angedeuteten Lächeln erhob Simon das Glas:
„Samas, Yamas!“
Der Anis bahnte sich seinen Weg durch Gaumen und Gurgel:
„Und weiß man schon etwas Näheres über ein mögliches Tatmotiv? Gibt es bereits einen Tatverdächtigen, einen Verwandten, einen Bekannten aus dem Freundeskreis?“
Mit der lässigen Handbewegung einer Hetäre strich sich Vroni eine widerspenstige Haarsträhne aus der kühn geschwungenen Stirn:
„Unser Paulus war ja bekanntermaßen eher ein Saulus. Hinter der Fassade des integeren Ehrenmanns gähnen dunkle Abgründe. Der
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