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Cruzifixus

Cruzifixus

Titel: Cruzifixus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Dinesh Bauer
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Simon schwelgte in kulinarischen Erinnerungen, seine Drüsen sonderten in erwartungsvoller Vorfreude ein schaumig, perlendes Speichelsekret ab. Auf leisen Mokassinsohlen schlich der Kellner heran, servierte mit der Nonchalance des ewigen Levantiners ein Tässchen Mokka und stellte zwei Schnapsgläser daneben:
                „Yamas! Auf dich! Geht aufs Haus!“
                Der trinkfeste Hellene leerte den Ouzo auf Ex und stelzte, ehe Simon seinen Dank in Worte kleiden konnte, auf wackligen Beinen davon.
                Mit dem verklärten Blick eines an den Zitzen der Muttersau nuckelnden Ferkels leckte Simon das Mokkatässchen leer. Seine Nasenflügel zitterten, bebten: Anis-Aromen mischten sich mit dem Bukett frisch gerösteter Bohnen der Edelsorte Coffea arabica. Der zauberische Duft stieg ihm zu Kopf. Eine Fülle starker, die Sinne betörender Eindrücke ließen die Relais der Schaltkreise durchschmoren, benebelten, becircten ihn. Das Raumzeitgefüge löste sich in Wohlgefallen auf, versetzte ihn in einem ätherischen Schwebezustand. Seine Träume waren indes nicht geistiger, sondern von handfester, fleischlicher Natur. Die rosigen Brustwarzen der Haremsdienerinnen, ihre nach Moschus duftenden Marmorschenkel, ihre pfirsichhäutigen Pobacken – das alles war zum greifen nah. Die zauberischen Trugbilder einer Fata Morgana lockten ihn ins Märchenreich aus Tausendundeiner Nacht – verhext vom lasziven Tanz der Odalisken, hypnotisiert vom Basiliskenblick der Bajaderen verlor er den Bezug zur Realität, überließ sich in willenloser Ergebenheit ihrem Sirenengesang.
                Die Stimme der Sirene kam ihm irgendwie bekannt vor. Eine Stimme, die eher verraucht denn verrucht, eher ungehalten und genervt denn süßlich und verlockend klang:
                „Hallo, hörst du mich? Aufwachen! Erst verschiebst du unser Date und jetzt schnarchst du hier wie ein Walross, oder was?“
                Nein, das waren weder die holden Töne der guten Fee aus dem Märchenland, noch das verheißungsvolle Gurren einer vollbusigen Haremsdame. Jäh aus seinen wohlig, wollüstigen Träumen gerissen, fuhr Simon auf – und blickte in die unergründlichen, grünlichen Katzenaugen einer altägyptischen Gottheit. Ein kirschrotes Chiffonkleid betonte die grazile Gestalt der Göttin, ein türkisfarbener Gazeschal schlang sich um ihren langen, perlweißen Schwanenhals. Die rasiermesserscharf geschliffenen Obertöne ließen erahnen, dass die Göttin über die pflichtvergessenen Eigenmächtigkeiten ihres getreuen Galans ungehalten war:
                „Was für ein Sauwetter! Meine Schuhe, meine Strumpfhose – alles klitschnass! Und du hockst hier im Trockenen und kippst einen Ouzo nach dem anderen.“
                Um Schadensbegrenzung bemüht säuselte er:
                „Schön, dass du da bist! Das Gedudel der Bouzouki ist so laut, ich hab dich gar nicht kommen hören!“
                Eilfertig fügte er hinzu:
                „Ich sage dir, so ein Scheißtag. Ohne Worte!“
                Vronis Lächeln war rätselhaft wie das der Sphinx, geheimnisvoll wie das der Mona Lisa. Ihre Worte klangen düster und orakelhaft wie aus dem Munde der delphischen Pythia:
                „Manche Tage streicht man besser aus dem Gedächtnis.“
                Ihr Lächeln erlosch wie die Flämmchen eines kurz aufflackernden Strohfeuers:
                „Hier ist die Hölle los! Du kannst dich Morgen auf etwas gefasst machen! Anzengruber springt wie ein Derwisch im Dreieck und macht mächtig Wind wegen diesem angeblichen Ritualmord! Und wie schaut es aus? Hast bei diesem Fettsack was erreicht?“
                Simon druckste wie ein in flagranti ertappter Moralapostel herum:
                „Nun, ja. Ich hab noch keine definitive Zusage, aber im Prinzip. Aber halt mal – hast du nicht eben etwas von einem Mord erwähnt?“
                Vroni hob überrascht ihre sorgfältig gezupften Brauen:
                „Wie, hat dich niemand angerufen? Diese idiotischen Tipps-Tussen! Nehmen wir eine Pikilia und einen Retsina? Ich sterbe vor Hunger. Heut war noch nicht mal Zeit für ein Vollkorn-Sandwich.“
                Sein stillschweigendes Einverständnis voraussetzend, winkte Vroni den mit der Marmormiene eines antiken Philosophen einher stolzierenden

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