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Cruzifixus

Cruzifixus

Titel: Cruzifixus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Dinesh Bauer
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Kies knirschte unter ihren Absätzen. Simon folgte seinem Führer im gebührenden Abstand, sichtlich darum bemüht die Ruhe des Gottesackers nicht zu stören. Es bedurfte einer enormen Willensanstrengung, um nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten und vom „geraden Weg“ abzuweichen. Sprich: Simon hatte mindestens ein Promille zu viel im Blut. Vinzenz hatte sich partout nicht von dem Vorsatz abbringen lassen, dem Schmiedwirt einen Besuch abzustatten, um für die Begegnung mit den Geistern der Verstorbenen gerüstet zu sein. Aus einer Halben und einem Achtel, waren zwei Maß, drei Viertel und vier Stamperl Zwetschgenwasser geworden. In einer für den heiligen Ort unangemessenen Lautstärke ließ sich Vinzenz über die Irrungen und Wirrungen in seiner Familienhistorie aus:
                „Meine Tante kommt jeden Abend hierher, um die Blumen am Grab zu gießen. Das wäre Sie ihren Brüdern schuldig, sagt Sie! Mein Onkel ist dagegen als überzeugter Christ und Pazifist Klosterbruder und hernach Klausner geworden!“
                Ihre Schritte dröhnten ihm in den Ohren als ob eine Herde Bisons über die Prärie galoppierte:
                „Du darfst nie glauben, was dir die Leute erzählen. Es ist nie so, wie es nach außen hin ausschaut. Hinter den Kulissen sieht es anders aus. Die honorigsten Biedermänner sind in Wahrheit die größten Bazis, die nach dem Krieg mit ihrer regimekritischen Einstellung hausieren gegangen sind, waren vor 45 die größten Nazis.“
                Sein Blick fiel auf einen frisch aufgeworfenen, von einem schlichten Holzkreuz „gepfählten“ Erdhügel: Was verbarg sich hinter diesem schwer fasslichen Begriff der Wahrheit? Simon verlangsamte seine Schritte. Aus leidvoller Erfahrung wusste er, dass man der Zeitungszunft hierzulande grundsätzlich mit Misstrauen begegnete. Das Virgilswinkler Bauernvolk neigte von Natur aus zur Xenophobie. „Fremden“ stand man schon aus Prinzip ablehnend und abweisend gegenüber - insbesondere solchen, die lästige Fragen stellten und die Nase in Dinge steckten, die sie nichts angingen. Impertinente, aufdringliche TV-Toreros bissen bei den „Berglern“ auf Granit. Er hielt also bewusst auf Abstand, als Vinzenz eine wie eine Vogelscheuche aussehende, schwarz gekleidete Gestalt überschwänglich in die Arme schloss:
                „Burgl! Wie geht’s dir? Was macht der wehe Hax?“
                Die alte Wetterhexe drückte Vinzenz eine blecherne Gieskanne in die Hand und humpelte auf einen Hakelstecken gestützt zum Grab. Es ging ihr offensichtlich gut genug, um herum zu zwidern und ihren Neffen anzuraunzen:
                „Jetzt kommst daher du Pharisäer. Ich hab schon geglaubt, dass ich dich erst auf meiner Beerdigung wieder sehe!“
                Um sich Liebkind zu machen, raspelte Vinzenz Süßholz:
                „Aber Tante. Ich bin doch immer für dich da!“
                Die resolute Alte fuchtelte mit ihren Stecken herum und stauchte ihren nichtsnutzigen Neffen zusammen:
                „Also, dann tu gefälligst was und steh nicht bloß blöd rum! Die Mehlprimeln brauchen dringend einen Schöpfer Wasser!“
                Zu Simons Verwunderung war kein Widerwort aus seinem Mund zu hören. Ja, der widerborstige Trotzkopf gehorchte der Alten wie ein dressiertes Schoßhündchen. Was war nur in ihn gefahren, dass er sich wie ein Lakai herumkommandieren ließ? Er war jedenfalls vorgewarnt: das „Muttchen“ hatte Haare auf den Zähnen. Simon fasste Mut und trat mit der Miene eines trauernden Hinterbliebenen ans Grab. Er stand noch keine zwei Sekunden mit gesenktem Kopf da, da fauchte auch schon die Alte wie eine sprungbereite Raubkatze:
                „Was will der lange Lackl hier? Hast du den angeschleppt?“
                Der so Gemaßregelte stand in gebückter Haltung da:
                „Ist das einer von deinen sauberen Freunden, ha?“
                Um den Zorn der Alten zu beschwichtigen, säuselte er:
                „Aber Tante! Das ist der Simon, ein Spezi von mir!“
                Sie musterte den ungebetenen Besucher von oben bis unten:
                „Soso, dein Spezi! Sag dem geschleckten Lackaffen, dass er sich gefälligst schleichen soll!“
                Ohne die Persona non grata weiter zu beachten, drehte Sie Simon

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