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Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition)

Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition)

Titel: Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Flynn
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Beifahrerfenster herunterglitt, noch bevor der Wagen zum Stehen kam. Der Fahrer spähte heraus, das Gesicht hinter einer Sonnenbrille verborgen.
    »He, Bill, ich dachte, wir sind in Ihrem Büro verabredet.«
    »Hatte noch zu tun.«
    Kansas City. Er schaute mich an und schob routiniert die Brille hoch. Eine hellbraune Strähne fiel ihm übers linke Auge. Blaue Augen. Er lächelte mich an, seine Zähne sahen aus wie eckige schneeweiße Kaugummis.
    »Hi.« Er schaute zu Vickery, der sich demonstrativ nach dem Hammer bückte, und dann wieder zu mir.
    »Hi«, sagte ich. Zog mir die Ärmel über die Hände, ballte die Hände zu Fäusten, verlagerte das Gewicht auf ein Bein.
    »Soll ich Sie mitnehmen, Bill? Oder laufen Sie lieber? Ich könnte uns unterwegs einen Kaffee besorgen.«
    »Ich trinke keinen Kaffee, hätten Sie inzwischen merken müssen. In einer Viertelstunde bin ich da.«
    »Sagen wir in zehn Minuten, okay? Wir sind ohnehin spät dran.« Kansas City warf mir noch einen Blick zu. »Soll ich Sie wirklich nicht mitnehmen, Bill?«
    Vickery schüttelte wortlos den Kopf.
    »Wer ist denn Ihre Freundin hier? Ich dachte, ich kenne alle wichtigen Leute in Wind Gap.« Er grinste, während ich wie ein Schulmädchen dastand und darauf wartete, dass Vickery mich vorstellte.
    Er ignorierte die Frage.
Bumm!
In Chicago hätte ich die Hand ausgestreckt, mich lächelnd vorgestellt und die Reaktion genossen. Hier schaute ich nur stumm zum Chief hinüber.
    »Na gut, dann bis gleich.«
    Das Fenster glitt nach oben, der Wagen fuhr weg.
    »Ist das der Ermittler aus Kansas City?«
    Vickery zündete sich eine Zigarette an und marschierte wortlos davon. Der Mann gegenüber hatte gerade die oberste Treppenstufe seines Hauses erreicht.

4 . Kapitel
    J emand hatte die Beine des Wasserturms im Jacob J. Garrett Memorial Park mit blauen Schnörkeln besprüht. Es sah seltsam niedlich aus, als trügen sie Schnürstiefelchen. Der Park, in dem man Natalie zum letzten Mal gesehen hatte, lag verlassen da. Der Dreck vom Baseballfeld schwebte über dem Boden; ich schmeckte ihn wie Tee, der zu lange gezogen hat. Am Waldrand wuchs hohes Gras. Ich war überrascht, dass es nicht gemäht worden war, herausgerissen wie die Steine im Bach, an denen sich Ann Nash verfangen hatte.
    Als ich noch zur Highschool ging, trafen sich die jungen Leute im Garrett Park, um Bier zu trinken, Hasch zu rauchen oder sich am Waldrand einen runterholen zu lassen. Dort küsste mich mit dreizehn zum ersten Mal ein Footballspieler mit einem dicken Packen Kautabak im Mund. Der Tabak schmeckte intensiver als der Kuss; danach kotzte ich hinter seinem Wagen Bowle mit winzigen, leuchtenden Fruchtstückchen aus.
    »James Capisi war hier.«
    Ich drehte mich um. Vor mir stand ein blonder, etwa zehnjähriger Junge mit Stoppelschnitt, der einen flaumigen Tennisball in der Hand hielt.
    »James Capisi?«, fragte ich nach.
    »Mein Freund. Der war hier, als sie Natalie geholt hat«, sagte der Junge. »James hat sie gesehen. Sie hatte ein Nachthemd an. Sie haben Frisbee gespielt, drüben am Wald, und sie hat Natalie geholt. Sie hätte auch James geholt, aber er war hier auf dem Platz geblieben. Also war Natalie genau an den Bäumen. James war wegen der Sonne hier. Er darf nicht in die Sonne, weil seine Mom Hautkrebs hat, aber er macht es trotzdem. Früher jedenfalls.« Der Junge ließ den Ball springen, eine Staubwolke stieg auf.
    »Mag er die Sonne jetzt nicht mehr?«
    »Er mag gar nichts mehr.«
    »Wegen Natalie?«
    Er zuckte trotzig die Achseln.
    »Weil James ein Baby ist.«
    Der Junge musterte mich und warf mit aller Wucht den Ball. Er prallte von meiner Hüfte ab.
    Er stieß ein kurzes Lachen aus. »Tschuldigung.« Er hechtete nach dem Ball, warf sich dramatisch darauf, schoss hoch und schleuderte ihn erneut zu Boden. Er sprang etwa drei Meter in die Höhe und hüpfte noch ein Stück weiter.
    »Ich verstehe nicht ganz, was du da erzählt hast. Wer trug ein Nachthemd?« Ich behielt den Ball im Auge.
    »Die Frau, die Natalie geholt hat.«
    »Moment, wie meinst du das?« Ich hatte gehört, Natalie habe mit ihren Freundinnen im Park gespielt. Sie gingen nacheinander nach Hause. Man nahm an, dass Natalie irgendwo auf dem kurzen Heimweg entführt worden war.
    »James hat die Frau gesehen, die Natalie geholt hat. Sie waren zu zweit, und sie haben Frisbee gespielt, und Natalie hat es nicht gefangen und ist ins Gras am Wald gegangen, und da hat die Frau nach ihr geschnappt. Dann waren sie weg.

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