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Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition)

Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition)

Titel: Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Flynn
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können, dass dieses Verhalten ganz typisch für eine verwirrte Zehnjährige war, die im Sterben lag. Aber wozu die Mühe? Mit den Toten kann man nicht konkurrieren. Und doch versuche ich es immer wieder.

5 . Kapitel
    A ls ich zum Frühstück herunterkam, trug Alan eine weiße Hose mit messerscharfen Bügelfalten und ein blassgrünes Oxfordhemd. Er saß allein an dem enormen Esstisch aus Mahagoni, sein schmaler Schatten spiegelte sich im blanken Holz. Ich sah mir die Tischbeine genau an, weil mir das Theater von gestern Abend einfiel. Alan zog es vor, dies zu ignorieren. Er löffelte Eiermilch aus einer Schüssel. Als er mich schließlich ansah, baumelte ihm ein elastischer Faden Eigelb wie Spucke vom Kinn.
    »Setz dich, Camille. Was soll Gayla dir bringen?« Er läutete das silberne Glöckchen, das neben ihm auf dem Tisch stand. Schon kam Gayla durch die Schwingtür aus der Küche. Sie hatte früher auf der Farm gearbeitet und vor zehn Jahren die Schweine gegen Putz- und Küchendienst bei meiner Mutter eingetauscht. Sie war so groß wie ich, also ziemlich groß, wog aber keine fünfzig Kilo. Die weiße Schwesterntracht, die sie bei der Arbeit trug, schlackerte um ihren Körper.
    Meine Mutter betrat das Esszimmer, küsste Alan auf die Wange und legte eine Birne an ihren Platz, die in eine weiße Stoffserviette gehüllt war.
    »Gayla, du erinnerst dich doch an Camille.«
    »Natürlich, Mrs. Crellin.« Sie schaute mich mit ihrem Fuchsgesicht an, lächelte mit schiefen Zähnen und rissigen Lippen. »Hi, Camille. Soll ich Ihnen Eier, Toast und Obst bringen?«
    »Bitte nur Kaffee. Mit Milch und Zucker.«
    »Camille, wir haben extra für dich eingekauft«, sagte meine Mutter und knabberte am dicken Teil der Birne. »Nimm wenigstens eine Banane.«
    »Und eine Banane«, sagte Gayla und verschwand grinsend in der Küche.
    »Camille, ich möchte mich für gestern Abend entschuldigen«, sagte Alan. »Amma macht gerade eine schwierige Phase durch.«
    »Sie klammert sehr«, meinte meine Mutter. »Meist ist es niedlich, aber manchmal schlägt sie ein bisschen über die Stränge.«
    »Mehr als nur ein bisschen«, warf ich ein. »Für eine Dreizehnjährige war das ein ganz schöner Tobsuchtsanfall. Ziemlich beunruhigend. Wenn nicht gar beängstigend.« Da war wieder die Camille aus Chicago – selbstsicher und redegewandt. Ich war erleichtert.
    »Nun ja, in dem Alter warst du auch nicht gerade einfach.« Ich weiß nicht, was meine Mutter damit meinte – mein Schneiden, meine Schreianfälle wegen meiner verstorbenen Schwester oder mein überaktives Sexualleben. Also nickte ich nur.
    »Hoffentlich geht’s ihr wieder gut«, sagte ich entschieden und stand auf.
    »Setz dich bitte, Camille«, sagte Alan leise und wischte sich den Mund ab. »Nimm dir ein bisschen Zeit für uns. Erzähl uns von Chicago.«
    »Windy City ist prima, die Arbeit auch, das Feedback positiv.«
    »Was genau bedeutet positives Feedback?« Alan beugte sich zu mir, die Hände gefaltet, als fände er seine Frage höchst spannend.
    »Ich habe über einige wichtige Fälle berichtet, darunter drei Morde, und das seit Jahresanfang.«
    »Findest du das wirklich gut, Camille?«, fragte meine Mutter und hörte auf zu knabbern. »Ich werde nie verstehen, woher deine Vorliebe für alles Hässliche kommt. Ich möchte meinen, du hast so viel davon am eigenen Leib erfahren, dass du nicht auch noch mit Absicht danach suchen musst.« Sie lachte, es klang ein wenig schrill.
    Gayla brachte mir Kaffee und eine Banane, die sperrig in einer Frühstücksschale klemmte. Als sie hinausging, trat Amma ein, die ganze Szene hatte etwas von einer Salonfarce. Sie küsste meine Mutter auf die Wange, begrüßte Alan und setzte sich mir gegenüber. Trat mich unter dem Tisch und lachte.
Ach, du warst das?
    »Tut mir leid, dass du mich so erleben musstest, Camille«, sagte Amma. »Vor allem, da wir uns kaum kennen. Ich mache gerade eine schwierige Phase durch.« Sie lächelte übertrieben. »Aber jetzt sind wir ja wieder vereint. Du bist die arme Cinderella, ich die böse Stiefschwester. Halbschwester, meine ich.«
    »In dir ist kein Fünkchen Bosheit«, meinte Alan.
    »Aber Camille war zuerst da. Die Erste ist meist auch die Beste. Hast du Camille jetzt lieber als mich?«, fragte Amma. Die Frage klang scherzhaft, doch ihre Wangen röteten sich, während sie die Antwort meiner Mutter abwartete.
    »Nein«, erwiderte Adora ruhig. Gayla stellte Amma einen Teller mit Schinken hin, und sie goss

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