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Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition)

Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition)

Titel: Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Flynn
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seine verstorbene Tochter als ziemlich intelligent. ›Manchmal dachte ich, sie ist schlauer als ihr alter Herr. Und manchmal dachte
sie
, sie sei schlauer als ihr alter Herr.‹ Er sagt, seine Tochter sei ein Wildfang wie Natalie gewesen, ein Mädchen, das gern auf Bäume kletterte und Rad fuhr, was sie auch tat, als sie im vergangenen August entführt wurde.
    Father Louis D. Bluell von der katholischen Gemeinde sagt, er erkenne die Auswirkungen der Morde auf die Bewohner: Es kämen deutlich mehr Gläubige zu den Sonntagsgottesdiensten, und viele Gemeindemitglieder suchten seinen geistlichen Beistand. ›Wenn so etwas geschieht, spüren die Menschen eine echte Sehnsucht nach geistiger Stärkung. Sie möchten wissen, wie so etwas passieren konnte.‹
    Das fragt sich auch die Polizei.
    Bevor wir in Druck gingen, machte sich Curry über die mittleren Initialen in meinem Artikel lustig.
Guter Gott, die Südstaatler nehmen’s mit der Etikette aber ganz genau.
Ich wies darauf hin, dass Missouri strenggenommen zum Mittleren Westen gehöre, was ihn ebenfalls zu erheitern schien.
Und ich bin strenggenommen mittleren Alters, aber sag das mal Eileen, wenn ich wieder mit einer Schleimbeutelentzündung kämpfe.
Außerdem strich er die Informationen aus meinem Gespräch mit James Capisi gnadenlos zusammen. Wir würden blöd dastehen, wenn wir einem Kind so viel Aufmerksamkeit schenkten, meinte er, vor allem, wenn die Polizei selbst nichts von der Spur hielt. Dazu flog noch ein schwacher Kommentar zu John raus, der von dessen Mutter stammte: »Ein ganz lieber, sanfter Junge.« Mehr hatte ich nicht aus ihr herausbekommen, bevor sie mich vor die Tür setzte, doch Curry meinte, es lenke nur vom Thema ab. Vermutlich hatte er recht. Er freute sich nämlich, dass wir uns endlich auf einen Verdächtigen konzentrieren konnten, meinen »Einheimischen«. Meine »informierten Kreise« waren bloße Erfindung oder, wenn man es netter ausdrücken wollte, eine Verschmelzung sämtlicher Quellen von Richard bis zum Geistlichen, die einen Einheimischen als Täter vermuteten. Was ich Curry jedoch nicht verriet.
    An dem Morgen, an dem mein Artikel erschien, blieb ich im Bett, starrte auf das weiße Telefon mit der Wählscheibe und wartete auf wütende Anrufe. Von Johns Mutter, die ganz schön sauer sein würde, weil ich mit ihrem Sohn gesprochen hatte. Oder von Richard, der bestimmt nachhaken würde, wer etwas über den einheimischen Täter hatte durchsickern lassen.
    Lautlose Stunden vergingen, ich schwitzte zunehmend; Bremsen summten vor meinem Fenster; Gayla saugte den Flur und wartete ungeduldig darauf, auch mein Zimmer säubern zu können. Bettwäsche und Handtücher waren bei uns immer täglich gewechselt worden; die Waschmaschine im Keller stand nie still. Ich glaube, es war eine Angewohnheit aus der Zeit vor Marians Tod. Saubere, frische Kleidung, damit wir die Ausscheidungen und muffigen Gerüche unseres Körpers vergaßen.
    Auf dem College merkte ich zum ersten Mal, dass mir der Geruch von Sex gefiel. Eines Morgens wollte ich gerade ins Zimmer einer Freundin, als ein Junge an mir vorbeischoss, schief grinste und seine Socken in die Gesäßtasche stopfte. Sie selbst lümmelte noch im Bett, nackt und klebrig, ein Bein baumelte unter der Decke hervor. Der süßlich-schlammige Geruch war animalisch, erinnerte an den tiefsten Winkel einer Bärenhöhle. Der Geruch einer durchlebten, durchwachten Nacht war mir fremd. Aus meiner Kindheit kannte ich nur den Geruch von Bleichmittel.
     
    Der erste wütende Anruf überraschte mich dann doch.
    »Nicht zu fassen, dass Sie mich überhaupt nicht erwähnt haben«, dröhnte mir Meredith Wheelers Stimme ins Ohr. »Sie haben nicht eine einzige meiner Informationen verwendet. Man könnte glauben, ich sei gar nicht dabei gewesen. Haben Sie völlig vergessen, dass ich John überhaupt erst zu Ihnen gebracht habe?«
    »Meredith, ich habe nie zugesagt, dass ich deine Kommentare verwenden würde«, sagte ich verärgert. »Es tut mir leid, falls ich diesen Eindruck erweckt haben sollte.« Ich klemmte mir einen schlaffen blauen Teddy unter den Kopf, bekam ein schlechtes Gewissen und legte ihn wieder ans Fußende. Man sollte den Relikten seiner Kindheit treu bleiben.
    »Ich verstehe einfach nicht, weshalb Sie mich nicht erwähnt haben«, fuhr sie fort. »Falls es darum ging, was für ein Mensch Natalie war, brauchten Sie John. Und wenn Sie John brauchten, brauchten Sie auch mich. Ich bin doch seine Freundin. Ich

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