Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition)
einfach. Wir hätten uns eine Wohnung suchen können, aber ich wollte unbedingt Geld sparen. Alles, was dann geschehen ist, hab ich einzig und allein meinem Geiz zu verdanken. Meine Eltern waren nicht dagegen, dass Natascha zu uns zog. Wir hatten damals eine Dreizimmerwohnung, und meine Schwester lebte inzwischen nicht mehr bei uns. Die Wohnung hätte also bequem für uns alle gereicht. Einen Monat ging das auch ganz gut, aber dann …«
»Natascha ist nicht mit deiner Mutter ausgekommen?«
»Stimmt … das heißt, nein, das war es auch nicht. Es ist alles so fürchterlich kompliziert. Außerdem ist die ganze Geschichte so dumm. Meine Mutter hatte nämlich den Verdacht, mein Vater …«
»Dass er deiner Frau schöne Augen machte?« Nur gut, dass Mam Rita blind war. Denn Kowal hätte jetzt keinen mitleidigen Blick ertragen.
»Mhm. Das war noch nie vorgekommen, ich meine, ich konnte mir das nicht mal vorstellen. Meine Eltern haben nicht mit mir darüber gesprochen, denn ich bin ja schon morgens aus dem Haus gegangen und erst abends wiedergekommen … Es hat nie irgendeinen Streit gegeben, aber dann, eines Abends … Eines Abends bin ich nach Hause gekommen, und da saß Natascha im Hof, auf einer Schaukel, noch dazu betrunken. Es war das erste Mal, dass ich sie überhaupt betrunken erlebt habe. Sie hat gesagt, dass sie nie wieder einen Fuß in unsere Wohnung setze, und mich gebeten, ihre Sachen zu holen. Und sie hat gesagt, dass sie jetzt nach Hause fahre, und wenn ich unsere Beziehung aufrechterhalten wolle, dann müsse ich mich zwischen ihr und meiner Frau Mama entscheiden. Genauso hat sie das gesagt oder besser ausgerotzt: meiner Frau Mama . Ich konnte sie um keinen Preis dazu bringen, noch mal hochzugehen. Als ich die Wohnung betrat, hatte meine Mutter Herztropfen genommen und sich eingeschlossen. Sie hat kein Wort mit mir geredet. Mein Vater trank Wodka und brabbelte allerlei Unsinn zusammen. Am liebsten hätte ich die Erste Hilfe … also einen Arzt … gerufen – aber ich hätte nicht sagen können, wer von beiden eigentlich dringender Hilfe brauchte. Dann brachte ich Natascha mit einem Taxi zu ihrer Stiefmutter. Ihr Vater war auf einer Dienstreise. Es war wirklich das reinste Chaos … Außerdem hatte mir noch immer niemand gesagt, was Sache war, egal wie oft ich danach gefragt hatte. Dabei hätte ich dieser Frau mit Sicherheit alles verziehen, so sehr habe ich sie geliebt. Ich hatte auch gar keinen Grund, eifersüchtig zu sein, allerdings … Wir waren damals halt nicht oft zusammen, ich habe wahnsinnig viel gearbeitet, Natascha hatte sich vorher lange um ihre kranke Mutter gekümmert …«
»Aber du hast erfahren, dass sie hinter deinem Rücken deinem Vater schöne Augen machte, nicht wahr?«
»Damals nicht.« Zu seiner Überraschung stellte Artur fest, dass es ihn erleichterte, sich einmal alles von der Seele zu reden. »Natascha hat sogar noch ein paarmal mit meiner Mutter telefoniert. Sie schienen sich auf die Geschichte geeinigt zu haben, dass sie beide Streit miteinander gehabt hätten. Zwei Frauen im Haus, der übliche Kram halt … Ich habe also irgendwann aufgehört, weiter nachzubohren. Jetzt denke ich manchmal, dass alles anders gekommen wäre, wenn sie mir damals bloß die Wahrheit gesagt hätten. Mein Vater hat ein paarmal versucht, mit mir zu reden, denn er hat bemerkt, dass ich sauer auf meine Mutter war, und sich auch selbst schuldig gefühlt. Einmal hat er sich sogar Mut angetrunken und ist dann einen ganzen Abend lang um mich herumgeschwirrt. Wahrscheinlich hatte es an dem Tag Probleme auf der Arbeit gegeben, das weiß ich nicht mehr genau, aber ich erinnere mich noch, dass ich nach Hause gekommen bin und meiner Mutter die übelsten Dinge an den Kopf geworfen habe. Sie hat mir Kontra gegeben und mich gefragt, ob ich eigentlich vorhabe, irgendwann mal erwachsen zu werden. Da habe ich sie angeschrien, dass sie sich gefälligst … Äh, ja, also ich habe gesagt, dass ich das schon vorhabe, aber wegen ihrer albernen Nörgelei garantiert als Junggeselle ende. Meine Mutter kriegte daraufhin fast einen Anfall, und mein Vater war kurz davor, mir alles zu erzählen, aber am Ende war er doch zu feige. Heute frage ich mich, warum ihm das so schwergefallen ist. Denn er hatte ja eigentlich überhaupt nichts Schlimmes getan …«
»Warum habt ihr euch kein eigenes Haus gebaut, Artur?«
In der schwülen Stille der aufgeheizten Hütte war nur das Knistern der Holzscheite und das Kratzen der
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