Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition)
garantiert schon länger als ein Jahr da! Wesentlich länger sogar! Sonst wäre ihre Kleidung nicht vermodert, sonst würden sie gewaltig stinken. Von all dem Staub und den Spinnen ganz zu schweigen! Nein, nicht mal in drei Jahren hätte sich so viel Dreck angesammelt! Die Geldscheine entglitten ihm und segelten fächerförmig durchs Büro.
Ob er über seine Zeit hinaus geschlafen hatte? Aber wie hätte das möglich sein sollen?! Die Geräte waren doch erst kürzlich getestet worden, und da hatte das Programm einwandfrei funktioniert. Deshalb hatte er ja auch niemanden um Hilfe bitten müssen, als er die Kapsel verlassen hatte. Sein Blick wanderte vom Safe weiter zum Fernseher – und ebenda entdeckte er die letzten Spuren dieses Gekritzels auf dem grauen Bildschirm.
Der unbekannte Schreiber hatte ihm eine Botschaft in deutscher Sprache hinterlassen. Wie Artur nun zu seiner Überraschung feststellte, verstand er diese Sprache. Wo die Philosophie endet, beginnt die Biologie .
Da hatten sich die Herren Safeknacker intellektuell aber mächtig ins Zeug gelegt! Er verließ den Raum und stieß auf eine zweite Leiche – als ihn ein Gedanke durchzuckte, der ihn mehr erschreckte als jeder andere an diesem Abend. Drei Tote im Keller, das war schon widerlich genug. Hier oben zwei weitere, die zu allem Überfluss auch noch von einem Hund oder Wolf angenagt worden waren. Wohl eher von einem Hund … Aber dass die Räuber ein paar Tausend Rubel hatten liegen lassen – das gab ihm mehr zu denken als die Leichen. Wenn die Menschen aus irgendeinem Grund nicht mehr hinterm Geld her waren, dann …
… dann ließ das nur eine Schlussfolgerung zu, und die drohte ihm sein letztes bisschen Verstand zu rauben. Besser, er beschäftigte sich wieder mit konkreten Problemen.
Der zweite enthauptete Tote war ein Mann und befand sich mehr oder weniger im gleichen Zustand wie die Frau. Als er gestorben war, hatte er vor dem Büro eines der stellvertretenden Direktoren auf einem Stuhl gesessen. Selbst jetzt hatte er noch locker ein Bein übers andere geschlagen. Dem armen Kerl fehlten beide Hände. Hinter ihm schlängelte sich eine Spur durch den Staub. Artur trat an ihn heran und ging ganz langsam in die Hocke. Neben dem linken Bein lag irgendein Gegenstand. Ohne die Leiche aus den Augen zu lassen, nahm Kowal das Plastikding an sich, das wie ein Eierkarton oder das Innere einer Pralinenschachtel aussah. Zehn der sieben Vertiefungen waren leer, in dreien saßen jedoch aufgezogene Ampullen mit einer trüben Flüssigkeit. Artur drehte das Behältnis um und pustete den Staub weg, der sich auf dem Plastik abgesetzt hatte. Von der Beschriftung war nicht mehr viel übrig, und das, was er noch erkennen konnte, half ihm nicht weiter: Impfstoff Nr. 3/1. Kombiniertes Präparat … wirksam gegen die Stämme … blockiert die Synthese von … Dosierung: 4 x täglich …
Dann wollen wir mal festhalten: Der Objektschützer im Keller hat eine Spritze in der Hand gehalten, die Lady auf der Treppe ebenfalls, und dieser Typ hier ist gleich mit einer ganzen Batterie von Ampullen bewaffnet. Bestimmt hatten die sich alle dieselbe Krankheit eingefangen, an der sie dann auch gestorben sind. Vielleicht weil sie sich nicht rechtzeitig gespritzt hatten. Oder hatte dieser Impfstoff Nr. 3 womöglich einfach nicht mehr gewirkt?
Als er endlich den zweiten Stock erreicht hatte, musste er sich erst mal kurz aufs Fensterbrett setzen, um Atem zu holen. Okay, er erinnerte sich nicht mehr an alles – aber mit dreißig dürfte er doch wohl kaum an Kurzatmigkeit und Herzrhythmusstörungen leiden! Nur warum hatte ihn dieser kleine Spaziergang durch das tote Institut dann völlig fertiggemacht …? Anscheinend waren die zwanzig Jahre in der Kapsel nicht spurlos an ihm vorbeigegangen. Sein Organismus bräuchte mit Sicherheit irgendwelche Rehamaßnahmen und Medikamente zur Stärkung. Wenn ihm doch bloß noch mehr einfiele! Auf den ersten Blick sah seine Muskulatur ja tipptopp aus – trotzdem wurde er mit jedem Schritt schwächer. Selbst wenn er sich das Brecheisen wiedergeholt hätte, bekäme er damit nie im Leben den Haupteingang auf. Das konnte er sich abschminken! Nein, ihm blieb nur der Weg durch ein Fenster. Vorm Raucherraum hatte früher eine Feuerleiter entlanggeführt – und die würde ihn in den Hof bringen. Damit ging es ja bloß noch darum, diesen Raucherraum zu finden … Ächzend wie ein Tattergreis erhob er sich wieder und schlurfte durch den
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