Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition)
Handschuh, den er in der Tasche des Overalls gefunden hatte, wischte er den Schimmel von der Folie und hielt die Fackel dann dichter an das Paket.
Den Überlebenden!
Inzwischen war sein Vorrat an Fackeln aufgebraucht, weshalb er das Päckchen an sich nahm und noch einmal in den Raum mit der Kapsel zurücklief. Glücklicherweise schwieg sein Magen vorübergehend. Vielleicht war er ja gar nicht krank, vielleicht hatte die Infektion ihn verschont. Im Schweiße seines Angesichts hebelte er die Tür der Seismoschleuse mit dem Brecheisen so weit auf, dass das trübe Licht auch die hintersten Winkel des Raums erreichte. Anschließend schleppte er in drei Schüben alles trockene Papier herbei, das er fand, verteilte es auf mehrere Haufen und zündete diese an. Genau wie er vermutet hatte, standen neben seiner Kapsel Nr. 1 zwei weitere leere Titansärge an der hinteren Wand. Ihre Abdeckungen waren hochgeklappt, auch sie ertranken in unzähligen Schnüren. Keines der Systeme reagierte noch auf irgendeinen Befehl, alle Monitore waren schwarz.
Das Lesen hatte er nicht verlernt. Obwohl auf dem Gummiboden gerade der letzte Packen Papier niederbrannte, konnte er sich nicht von der Lektüre losreißen.
Protokoll
Testbeginn 17. Februar 2006.
Wachhabender Ingenieur der Abteilung V.
Anabiose-Raum.
Kapsel Nr. 2 für acht Tage geschlossen.
Reaktant: halb flüssiger Stickstoff;
Cryoprotektant: vierte Serie.
Proband: Alexander Mirsojan, 32 Jahre.
Kombinierte Cryobiose nach Teleschew. Dauer bis zum Erreichen des nötigen Drucks: 3 h 17 min.
25. Februar 2006
Erfolgreiche Beendigung des Tests.
Dauer: 2 h 50 min.
Guter Allgemeinzustand des Probanden; Kristallisation einzelner Kapillargefäße; Motorik im Normbereich; zur medizinischen Betreuung überwiesen.
06. März 2006
Kapsel Nr. 1 für 30 Tage geschlossen.
[…]
Proband: Anatoli Denissow.
[…]
Erfolgreiche Beendigung des Tests.
[…]
Artur schluckte.
03. Juni 2006.
Montage der letzten Kapsel.
Paralleltest mit zwei Kapseln für zwei bzw. drei Monate.
Anwendung eines neues Reaktanten, der zuvor an Hunden erprobt wurde.
Mit einem Mal sah er völlig klar vor seinem inneren Auge, wie er zwei Etagen weiter oben neben der ersten Kapsel mit Gasantrieb stand, die frisch aus den USA eingetroffen war. Während Alexander Mirsojan – sein Kollege Alik! – einen Vierbeiner bei der Schnauze gepackt hielt und ihn mit einem Knochen ablenkte, rasierte Lida dem Tier den Nacken, damit dort die Elektroden befestigt werden konnten. Teleschew hämmerte auf die Tasten seines Computers ein, Artur und Tolik schleppten die Gasflaschen heran. Verrückte Zeiten waren das damals …
Es folgten einige verklebte Seiten, dann ging es weiter.
Am 11. September desselben Jahres wurde erstmals ein Proband für ein ganzes Jahr in eine Kapsel gelegt. Artur erinnerte sich genau daran. Damals hatten sie beschlossen, zukünftig nur noch russische Reaktanten einzusetzen. Sie hatten sich mit dem Problem rumschlagen müssen, dass die Synapsen, die fürs Kurzzeitgedächtnis verantwortlich waren, beschädigt wurden. Außerdem hatten sie Verträge unterschrieben, die es Wissenschaftlern aus dem Westen erlaubten, an den Experimenten teilzunehmen. Das Verfahren, das Teleschew entwickelt hatte, galt mittlerweile als das erfolgversprechendste.
Aber weiter! Wann kam denn nun er an die Reihe? Aha, da! Am 10. Januar 2007 testete er die Kapsel Nr. 3, ein Hochdruck-Gerät mit Massageliege und einer neuen Form der Muskelstimulation. Die Kapsel wurde nicht lang verschlossen, bloß für drei Wochen … Nein, da musste noch ein Experiment kommen … Ah, da war es! Am 7. Oktober 2007 wurde Jelena Krassowezkaja für drei Jahre in Kapsel Nr. 3 und David Pountney für vier Jahre in Kapsel Nr. 2 eingeschlossen. Dazu gab’s eine Anmerkung: Finanziert von britischer Seite. Und in die Kapsel Nr. 1 hatte er sich gelegt. Lena Krassowezkaja war ihm leider nur vage in Erinnerung, der Name Pountney sagte ihm überhaupt nichts.
Doch zurück zu ihm, zu dem Probanden Artur Kowal! O nein … Das konnte nicht sein! Hier musste es sich um irgendeinen Fehler handeln! Abrupt schlug er das Heft zu. Den Rest würde er später lesen.
Die Kapsel Nr. 1 war für zwanzig Jahre geschlossen worden.
(3)
DER BLAUÄUGIGE TOD
Erst im zweiten Stock gelang es ihm, durch ein Fenster hinaus aufs Gesims zu klettern. Im Erdgeschoss und im ersten Stock, wo die Abteilungen IV
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