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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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alles, was mit seiner Abteilung zu tun hat, in aller Regel weit abseits befindet und in schwarze Planen und Zeltbahnen gehüllt ist. Wie jede andere militärische Einheit ist Abteilung 2702 reich an manchen Nachschubgütern und arm an anderen, aber sie verfügt allem Anschein nach über fünfzig Prozent der letztjährigen Gesamtproduktion der Vereinigten Staaten an Segeltuch. Als Shaftoe diese Tatsache erwähnt und sich gegenüber seinen Kameraden ausführlich darüber verbreitet, sehen einige der Männer ihn ein bisschen seltsam an. Es bleibt Enoch Root überlassen zu sagen: »Angesichts von Riesenechsen und schwarzen Planen könnte mancher vielleicht meinen, Sie führen sich ein bisschen paranoid auf.«
    »Ihnen erzähl ich gleich was von paranoid«, sagt Shaftoe und das tut er denn auch, ohne dabei Lieutenant Ethridge und die Abfalleimer zu vergessen. Bis er damit fertig ist, hat sich die gesamte Abteilung auf der anderen Seite der Planen versammelt und alle sind schön angespannt, ausgenommen ihr neuester Rekrut, der sich, wie Shaftoe beifällig vermerkt, zu entspannen beginnt. In seinem Taucheranzug auf der Ladefläche des Lkws liegend, passt er sich an, anstatt bei jeder Unebenheit hochzuhüpfen.
    Trotzdem ist er noch so steif, dass sich das Problem vereinfacht, ihn aus dem Lastwagen in den ihnen zugewiesenen Gooney Bird zu schaffen: einer abgespeckten Version der DC-3, militärischen Bedürfnissen angepasst und (für Shaftoes skeptisches Auge) in ihrer Flugtüchtigkeit nicht wenig beeinträchtigt durch zwei riesige, in eine Seite eingeschnittene Ladetüren, die den Rumpf beinahe in zwei Teile teilen. Diese Dakota fliegt schon so lange in der Wüste herum, dass der Sand die gesamte Farbe von Propellerblättern, Motorhaube und vorderen Flügelkanten abgeschmirgelt und blankes Metall zurückgelassen hat, das für sämtliche Piloten der deutschen Luftwaffe im Umkreis von fünfhundert Kilometern einen einladenden Silberschimmer erzeugt. Schlimmer noch: Der Verkleidung des Rumpfes entsprießen zahlreiche Antennen, die meisten davon um das Cockpit herum. Nicht bloß Peitschenantennen, sondern riesengroße Bratroste, angesichts derer Shaftoe sich wünscht, er hätte eine Metallsäge. Auf unheimliche Weise ähneln sie denen, die Shaftoe die Treppe von Station Alpha in Schanghai hinuntergeschafft hat – eine Erinnerung, die sich mittlerweile irgendwie mit den anderen Bildern in seinem Kopf vermischt hat. Als er sie zurückzuholen sucht, sieht er lediglich einen blutüberströmten Jesus, der einen Hochfrequenz-Zweikanal-Dipol eine Steintreppe in Manila hinunterträgt, und dass das nicht stimmen kann, ist ihm klar.
    Obwohl sie sich auf einem Flugplatzgelände unter Hochbetrieb befinden, weigert sich Ethridge, die Operation weitergehen zu lassen, solange auch nur ein einziges Flugzeug am Himmel ist. Schließlich sagt er: »Okay, JETZT!« Kaum haben sie die Leiche auf dem Lkw hochgehoben, hören sie Ethridge »Nein, STOPP!« brüllen und setzen sie wieder ab. Als es längst nicht mehr grausig amüsant ist, werfen sie schließlich eine Plane über Gerald Hott, schaffen ihn an Bord und heben kurz darauf ab. Abteilung 2702 ist unterwegs zu einem Rendezvous mit Rommel.

Zyklen
    Es ist Anfang November 1942 und auf einen Schlag passiert überall schlicht unglaublich viel Scheiße. Nicht einmal Zeus persönlich bekäme das alles auseinander klamüsert, selbst wenn er die Karyatiden mobilisierte – ihnen sagte, egal, was wir euch erzählt haben, lasst den Kram einfach fallen. Überall würden Tempel zusammenklappen wie kaputte Liegestühle, wenn er die Karyatiden – und was er an Naiaden und Dryaden aufscheuchen könnte – auf die Bibliothekarsschule schickte, ihnen grüne Augenschirme gäbe, sie in die züchtige, asexuelle Kluft des AVDOW, des Archivverwaltungsdienstes Olympische Warte, steckte und sie rund um die Uhr Karteikarten ausfüllen ließe. Sie dazu brächte, ein bisschen was von ihrer viel gerühmten Karyatiden-Standfestigkeit für die Bedienung von Hollerith-Maschinen und ETC-Kartenlesern einzusetzen. Selbst dann bekäme Zeus die Situation wahrscheinlich noch nicht in den Griff. Er hätte so die Schnauze voll, dass er kaum mehr wüsste, auf welche hybriden Sterblichen er seine Donnerkeile schleudern oder welchen Pinup-Mädchen und knackigen Privates er an die Wäsche gehen sollte.
    Lawrence PritchardWaterhouse hat im Moment so viel olympischen Überblick, wie man überhaupt nur haben kann. Roosevelt, Churchill und

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