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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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diesen Monat ungefähr eine Million Bruttoregistertonnen versenken, ein Wert, der Waterhouses Begriffsvermögen übersteigt. Er versucht, sich eine Tonne als das ungefähre Äquivalent eines Autos zu denken und sich dann vorzustellen, Amerika und Kanada würden mitten auf dem Atlantik einfach eine Million Autos ins Wasser werfen – und das allein im November. Mein lieber Mann!
    Das Problem ist Shark.
    Die Deutschen nennen es Triton. Es ist ein neues Kryptosystem, das ausschließlich von ihrer Marine verwendet wird. Dabei handelt es sich um eine Enigma, aber nicht das übliche Modell mit drei Walzen. Dieses alte Ding haben die Polen schon vor ein paar Jahren geknackt und Bletchley Park hat den Vorgang industrialisiert. Doch vor etwas über einem Jahr ist an der Südküste von Island ein intaktes deutsches Unterseeboot gestrandet, das von Leuten aus Bletchley ziemlich gründlich durchsucht wurde. Dabei sind sie auf einen Enigma-Koffer mit Vertiefungen für vier – nicht drei – Walzen gestoßen.
    Als die vierwalzige Enigma am 1. Februar in Dienst gestellt wurde, ist der gesamte Atlantik schwarz geworden. Seither beschäftigen sich Alan und die anderen sehr eingehend mit dem Problem. Das Dumme ist, dass sie nicht wissen, wie die vierte Walze verdrahtet ist.
    Vor ein paar Tagen allerdings ist im östlichen Mittelmeer ein weiteres Unterseeboot mehr oder weniger intakt aufgebracht worden. Colonel Chattan, der zufällig gerade in der Gegend war, hat sich zusammen mit ein paar anderen Bletchleyanern umgehend dorthin begeben. Sie haben eine vierwalzige Enigma sichergestellt, die zwar den Code nicht knackt, ihnen jedoch die Daten liefert, die sie brauchen, um ihn zu knacken.
    Hitler jedenfalls hat wohl Oberwasser, denn er befindet sich im Augenblick auf Reisen, um einen Arbeitsurlaub in seinem Alpenrefugium vorzubereiten. Das hat ihn nicht davon abgehalten, sich den Rest von Frankreich unter den Nagel zu reißen – offenbar hat ihn irgendetwas an Operation Torch richtig auf die Palme gebracht, und so hat er Vichy-Frankreich vollständig besetzt und dann über hunderttausend Mann frische Truppen und eine entsprechend gewaltige Menge Nachschub über das Mittelmeer nach Tunesien geschickt.Waterhouse stellt sich vor, dass man dieser Tage schlicht dadurch von Sizilien nach Tunesien kommt, dass man vom Deck eines deutschen Transportschiffes zum anderen hüpft.
    Natürlich wäre Waterhouses Job erheblich einfacher, wenn das stimmte. Die Alliierten könnten so viele von diesen Schiffen versenken, wie sie wollten, ohne dass sich an der informationstheoretischen Front auch nur eine einzige blonde teutonische Augenbraue höbe.Tatsache ist jedoch, dass diese Geleitzüge dünn gesät sind. Wie dünn genau, das sind Parameter, die in die Gleichungen eingehen, welche er und Alan Mathison Turing die ganze Nacht auf Wandtafeln kritzeln.
    Wenn man das acht bis zwölf Stunden gemacht hat und die Sonne schließlich wieder aufgegangen ist, gibt es nichts Schöneres als eine flotte Radtour durch die Landschaft von Buckinghamshire.
     
     
     
    Während sie über den Kamm der Erhebung strampeln, breitet sich vor ihnen ein Wald aus, der sämtliche Flammenfarben angenommen hat. Die halbkugelförmigen Kronen der Ahorne tragen überdies zu einem realistischen Wabereffekt bei. Lawrence verspürt den eigenartigen Drang, die Lenkstange loszulassen und sich die Hände über die Ohren zu schlagen. Als sie jedoch zwischen die Bäume rollen, bleibt die Luft herrlich kühl und der Himmel über ihnen frei von schwarzen Rauchwolken, und die hier herrschende Ruhe und Stille könnte von dem, woran sich Lawrence erinnert, gar nicht verschiedener sein.
    »Quatschen, quatschen, quatschen!«, sagt Alan Turing und imitiert dabei das Gegacker wütender Hühner. Der seltsame Laut wird noch dadurch zusätzlich verfremdet, dass Alan eine Gasmaske trägt, die er sich schließlich ungeduldig auf die Stirn schiebt. »Die hören sich selbst wahnsinnig gern quatschen.« Er meint Winston Churchill und Franklin Roosevelt. »Und sich gegenseitig quatschen zu hören, dagegen haben sie auch nichts – jedenfalls bis zu einem bestimmten Punkt. Aber verglichen mit gedrucktem Text ist die Stimme ein schrecklich redundanter Informationskanal. Wenn man Text nimmt und ihn durch eine Enigma laufen lässt – was im Grunde gar nicht so kompliziert ist -, dann führt das dazu, dass die vertrauten Muster im Text, wie zum Beispiel das Überwiegen des Buchstabens E, praktisch nicht mehr

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