Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
Unterschied zwischen dem degenerierten Fall und den nicht degenerierten Fällen hat mit den Eigenschaften der jeweils beteiligten Zahlen zu tun. Die Kombination ( n = 20, g = 100) hat ganz andere Eigenschaften als ( n = 20, g = 101). Der entscheidende Unterschied ist der, dass 20 und 101 »teilerfremd« sind, d. h. keinen gemeinsamen Faktor haben. Das bedeutet, ihr kleinstes gemeinsames Vielfaches, ihr KGV, ist eine große Zahl – in diesem Falle nämlich g x n = 20 x 101 = 2020. Das KGV von 20 und 100 dagegen ist nur 200. Das Fahrrad mit g = 101 hat eine lange Periode – es durchläuft viele verschiedene Zustände, bevor es zum Anfang zurückkehrt -, während das Fahrrad mit g = 100 eine Periode von nur wenigen Zuständen hat.
    Angenommen, Turings Fahrrad wäre eine Verschlüsselungsmaschine, die mit alphabetischer Substitution arbeitete, d. h. jeden der 26 Buchstaben des Alphabets durch einen anderen Buchstaben ersetzte. Ein A im Klartext würde beispielsweise zu einem T im Schlüsseltext, B zu F, C zu M usw. bis Z. An und für sich wäre das ein grotesk einfach zu knackender Schlüssel – Kinderkram. Angenommen jedoch, das Substitutionsschema änderte sich von einem Buchstaben zum nächsten. Angenommen also, der erste Buchstabe des Klartextes würde mithilfe eines bestimmten Substitutionsalphabets verschlüsselt, der zweite mithilfe eines völlig anderen Substitutionsalphabets, der dritte mithilfe eines wiederum anderen usw. Man nennt das einen polyalphabetischen Schlüssel.
    Angenommen, Turings Fahrrad wäre imstande, für jeden seiner verschiedenen Zustände ein eigenes Alphabet zu generieren. Der Zustand ( Θ = 0, K = 0) entspräche also beispielsweise folgendem Substitutionsalphabet:
der Zustand ( Θ = 180, K = 15) dagegen folgendem (ganz anderen):
    Es würden also keine zwei Buchstaben nach demselben Substitutionsalphabet verschlüsselt – solange, wohlgemerkt, das Fahrrad nicht wieder in den Ausgangszustand ( Θ = 0, K = 0) zurückkehrte und den Zyklus zu wiederholen begänne. Das heißt, es handelt sich um ein periodisches polyalphabetisches System. Wenn nun die Maschine eine kurze Periode hätte, würde sie sich häufig wiederholen und wäre als Verschlüsselungssystem allenfalls für Kinderspiele zu gebrauchen. Je länger ihre Periode (je mehr Teilerfremdheit in sie eingebaut ist), desto weniger häufig kehrt sie zu demselben Substitutionsalphabet zurück und desto sicherer ist sie.
    Die dreiwalzige Enigma ist ein solches (d. h. periodisches polyalphabetisches) System. Wie der Getriebezug von Turings Fahrrad verkörpern ihre Räder Zyklen innerhalb von Zyklen. Ihre Periode beträgt 17 576, das heißt, das Substitutionsalphabet, das den ersten Buchstaben einer Nachricht verschlüsselt, wird erst wieder mit Erreichen des 17577ten Buchstabens benutzt. Bei Shark jedoch haben die Deutschen eine vierte Walze hinzugefügt und die Periode damit auf 456 976 erhöht. Die Walzen werden zu Beginn jeder Nachricht auf eine neue, willkürlich festgelegte Startposition gesetzt. Da die deutschen Nachrichten niemals 450 000 Zeichen lang sind, benutzt die Enigma in einer einzelnen Nachricht nie zweimal dasselbe Substitutionsalphabet, weshalb die Deutschen sie auch für so gut halten.
    Ein Schwarm Transportflugzeuge, vermutlich mit Kurs auf das Aerodrom von Bedford, fliegen über sie hinweg. Die Flugzeuge geben ein sonderbar melodisches, diatonisches Brummen von sich, wie Dudelsäcke, auf denen zwei Töne zugleich geblasen werden. Das erinnert Lawrence an ein weiteres Problem, das mit dem Fahrrad und der Enigma zu tun hat. »Weißt du, warum Flugzeuge so klingen, wie sie klingen?«, fragt er.
    »Nein, wenn ich’s mir recht überlege, nicht.« Turing nimmt erneut die Gasmaske ab. Sein Kinn ist ein wenig erschlafft und seine Augen flitzen hin und her. Lawrence hat ihn ertappt.
    »Ist mir schon in Pearl aufgefallen. Flugzeugmotoren sind Sternmotoren«, sagt Lawrence. »Infolgedessen müssen sie eine ungerade Anzahl von Zylindern haben.«
    »Wieso folgt das daraus?«
    »Wenn die Zahl gerade wäre, befänden sich die Zylinder einander genau gegenüber, hundertachtzig Grad auseinander, und das würde technisch nicht funktionieren.«
    »Wieso nicht?«
    »Hab ich vergessen. Es würde einfach nicht funktionieren.«
    Alan hebt, sichtlich nicht überzeugt, die Augenbrauen.
    »Hat irgendwas mit Wellen zu tun«, behauptet Waterhouse, der sich ein wenig in der Defensive fühlt.
    »Ich weiß nicht, ob ich dir da zustimme«, sagt

Weitere Kostenlose Bücher