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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Schimmer auf das stille, flache Wasser, sodass es wie ein Teich von Blut aussah. Alan Mathison Turing und Rudolf von Hacklheber lagen wie Löffel aneinander geschmiegt am Ufer, vom Schwimmen am Vortag noch immer ein wenig beschmutzt. Lawrence entfachte ein kleines Feuer und machte Tee, und irgendwann wachten die beiden auf.
    »Hast du das Problem gelöst?« fragte ihn Alan.
    »Tja, du kannst deine Universale Turing-Maschine in jede beliebige Maschine verwandeln, indem du die Koppel verstellst -«
    »Die Koppel?«
    »Entschuldige, Alan, aber ich stelle mir deine U.T.M. als eine Art Orgel vor.«
    »Aha.«
    »Jedenfalls, sobald du das getan hast, kannst du jede beliebige Berechnung durchführen, falls das Band lang genug ist. Aber Mensch, Alan, ein Band herzustellen, das lang genug ist und auf das du Symbole schreiben und sie löschen kannst, das wird ganz schön kitzelig – Atanasoffs Kondensator-Trommel hat nur bis zu einer bestimmten Größe funktioniert – man müsste -«
    »Das ist eine Abschweifung«, sagte Alan sanft.
    »Ja, okay, gut – wenn du so eine Maschine hättest, dann ließe sich jede Koppel durch eine Zahl darstellen – eine Folge von Symbolen. Und das Band, das du in sie einführen würdest, würde eine andere Folge von Symbolen enthalten. Damit hätten wir wieder Gödels Beweis – wenn jede mögliche Kombination von Maschine und Daten sich durch eine Folge von Zahlen darstellen lässt, dann kannst du sämtliche möglichen Zahlenfolgen zu einer großen Tabelle anordnen und dann läuft es auf das Cantorsche Diagonalverfahren hinaus, und die Antwort lautet, dass es einige Zahlen geben muss, die sich nicht berechnen lassen.«
    »Und das Entscheidungsproblem?« erinnerte ihn Rudi.
    »Eine Formel zu beweisen oder zu widerlegen ist – sobald man die Formel in Zahlen verschlüsselt hat, heißt das – bloß eine Berechnung auf der Grundlage dieser Zahl. Das heißt also, die Antwort auf die Frage lautet nein! Manche Formeln lassen sich durch einen mechanischen Prozess weder beweisen noch widerlegen! Ein Mensch zu sein hat somit wohl doch einen gewissen Sinn!«
    Bevor Lawrence den letzten Satz sagte, sah Alan zufrieden aus, dann machte er ein langes Gesicht. »Jetzt ergehst du dich in ungerechtfertigten Annahmen.«
    »Hör nicht auf ihn, Lawrence«, sagte Rudi. »Gleich wird er dir erzählen, dass unsere Gehirne Turing-Maschinen sind.«
    »Danke, Rudi«, sagte Alan geduldig. »Lawrence, ich behaupte, dass unsere Gehirne Turing-Maschinen sind.«
    »Aber du hast doch bewiesen, dass es eine ganze Menge Formeln gibt, die eine Turing-Maschine nicht verarbeiten kann!«
    »Und du hast es auch bewiesen, Lawrence.«
    »Meinst du denn nicht, dass wir einiges können, was eine Turing-Maschine nicht könnte?«
    »Gödel ist deiner Meinung, Lawrence«, warf Rudi ein, »und Hardy auch.«
    »Gib mir ein Beispiel«, sagte Alan.
    »Von einer nicht berechenbaren Funktion, die ein Mensch verarbeiten kann und eine Turing-Maschine nicht?«
    »Ja. Und komm mir ja nicht mit irgendwelchem sentimentalem Quatsch von wegen Kreativität. Ich glaube, eine Universale Turing-Maschine könnte Verhaltensweisen zeigen, die wir als kreativ bezeichnen würden.«
    »Tja, dann weiß ich auch nicht … Ich werde versuchen, künftig auf dergleichen zu achten.«
    Später jedoch, während sie nach Princeton zurückradelten, sagte er: »Und was ist mit Träumen?«
    »Wie diese Engel in Virginia?«
    »Ja.«
    »Bloß Geräusch in den Neuronen, Lawrence.«
    »Außerdem habe ich gestern Nacht von einem brennenden Zeppelin geträumt.«
    Alan bekam bald seinen Doktor und kehrte nach England zurück. Er schrieb Lawrence ein paar Briefe. Im letzten stellte er schlicht fest, er könne ihm keine »gehaltvollen« Briefe mehr schreiben und er, Lawrence, solle es nicht persönlich nehmen. Lawrence erkannte sofort, dass Alans Gesellschaft ihm eine Aufgabe übertragen hatte, mit der er sich nützlich machen konnte – wahrscheinlich sollte er herausfinden, wie sich verhindern ließ, dass sie von bestimmten Nachbarn bei lebendigem Leibe gefressen wurde. Lawrence fragte sich, was für eine Verwendung Amerika wohl für ihn haben würde.
    Er kehrte an die Iowa State zurück, erwog, sein Hauptfach zu wechseln und Mathematik zu studieren, und tat es dann doch nicht. Alle, die er deswegen befragte, stimmten darin überein, dass die Mathematik, wie die Orgelrestaurierung, etwas Schönes sei, dass jedoch von irgendetwas der Schornstein rauchen müsse. Er blieb bei den

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