Cryptonomicon
epiphyteUnPlan.5.4.ordo
Der Computer antwortet:
Weisen Sie sich aus: Geben Sie die Passphrase oder, falls Sie den biometrischen Nachweis wählen, »Bio« ein.
Bevor Ordo die Datei entschlüsselt, braucht es den privaten Schlüssel: sämtliche 4096 Bit. Der Schlüssel ist auf Randys Festplatte gespeichert. Da aber böse Buben in Hotelzimmer einbrechen und den Inhalt von Festplatten lesen können, wurde der Schlüssel selbst verschlüsselt. Um ihn wieder zu entschlüsseln, braucht Ordo den Schlüssel zum Schlüssel, der (als Cantrells einziges Zugeständnis an die Benutzerfreundlichkeit) eine Passphrase ist: eine Aneinanderreihung von Wörtern, leichter zu behalten als 4096 Binärziffern. Allerdings muss es eine lange Phrase sein, sonst ist sie zu leicht zu knacken.
Als Randy seine Passphrase das letzte Mal veränderte, las er gerade ein anderes Buch mit Erinnerungen aus dem Zweiten Weltkrieg. Er tippt:
›unter heiserem »banzai!«-Geschrei stürmten die Nips mit Schwertern und Bajonetten, die im Lichtstrahl unserer Suchschweinwerfer blitzten, aus ihren Schützengräben
und drückt die Return-Taste. Ordo antwortet:
Falsche Passphrase. Geben Sie noch einmal die Passphrase oder »Bio« für den biometrischen Nachweis ein.
Randy flucht und probiert es noch ein paar Mal, immer mit leicht veränderter Zeichensetzung. Nichts funktioniert.
Verzweifelt, aber auch aus Neugier versucht er es mit:
Bio
und das Programm antwortet:
Konfigurationsdatei nicht gefunden.
Sprechen Sie mit Cantrell:-/
Was natürlich kein normaler Bestandteil des Programms ist. Ordo schlägt keinen biometrischen Nachweis vor, noch beziehen sich seine Fehlermeldungen namentlich auf John Cantrell oder irgendjemand anderen. Cantrell hat offensichtlich ein Plug-In-Modul, einen kleinen Zusatz, geschrieben und an seine Freunde bei Epiphyte(2) verteilt.
»Gut«, murmelt Randy, nimmt sein Telefon und wählt John Cantrells Zimmernummer. Da es sich um ein brandneues, modernes Hotel handelt, antwortet ihm eine Voice Mailbox, auf die John sogar einen informativen Gruß aufgesprochen hat.
»Hier ist John Cantrell von Novus Ordo Seclorum und Epiphyte Corporation. Für diejenigen unter Ihnen, die meine Universalnummer gewählt und folglich keine Ahnung haben, wo ich bin: Ich bin im Foote Mansion Hotel im Sultanat Kinakuta – dazu konsultieren Sie bitte einen guten Atlas. Es ist Donnerstag, der einundzwanzigste März, sechzehn Uhr. Ich bin wahrscheinlich unten im ›Bomb and Grapnel‹.«
Das »Bomb and Grapnel« ist die thematisch auf Seeräuber getrimmte Hotelbar, die aber gar nicht so schäbig ist, wie der Name vermuten lässt. Ihre Dekoration besteht (neben anderen museumsreifen Stücken) aus mehreren Messingkanonen, die echt zu sein scheinen. John Cantrell sitzt an einem Ecktisch und wirkt hier so heimisch, wie das einem Mann mit schwarzem Cowboyhut nur möglich ist. Sein Laptop steht offen auf dem Tisch neben einem Rumcocktail, den man ihm in einer Suppenterrine serviert hat. Ein sechzig Zentimeter langer Strohhalm verbindet ihn mit Cantrells Mund. Er saugt und tippt. Mit ungläubiger Miene wird er von einer Gruppe knallhart aussehender chinesischer Geschäftsleute angestarrt, die an der Bar sitzen; als sie Randy mit seinem eigenen Laptop hereinkommen sehen, geht ein allgemeines Gemurmel los. Jetzt sind sie auch noch zu zweit!
Cantrell hebt den Kopf und grinst – etwas, was ihm automatisch einen teuflischen Zug verleiht. Er und Randy schütteln sich triumphierend die Hand. Obwohl sie nur in 747ern durch die Gegend gedüst sind, kommen sie sich vor wie Stanley und Livingstone.
»Hübsche Bräune«, sagt Cantrell verschmitzt und zwirbelt sich fast den Bart. Randy verschlägt es buchstäblich die Sprache, zweimal macht er den Mund auf und zu, um schließlich resigniert den Kopf zu schütteln. Beide Männer lachen.
»Die Bräune habe ich auf den Booten bekommen«, sagt Randy, »nicht am Hotelpool. Die letzten paar Wochen habe ich überall in der Umgebung Feuer gelöscht.«
»Hoffentlich nichts, was den Shareholder Value beeinträchtigen könnte«, erwidert Cantrell trocken.
Randy sagt: »Du siehst ermutigend blass aus.«
»Bei mir ist alles in Ordnung«, sagt Cantrell. »Es ist genau, wie ich es vorausgesagt habe: Jede Menge Heimliche Bewunderer wollen an einem echten Datenhafen mitarbeiten.«
Randy bestellt ein Guinness und sagt: »Du hast auch vorausgesagt, dass viele dieser Leute sich als abgedreht und undiszipliniert erweisen
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