Cryptonomicon
würden.«
»Die hab ich außen vor gelassen«, erwidert Cantrell. »Und zusammen mit Eb, der sich um die schrägen Sachen gekümmert hat, konnten wir über die wenigen Bodenschwellen, auf die wir gestoßen sind, einfach hinwegrollen.«
»Hast du die Krypta schon gesehen?«
Cantrell zieht eine Augenbraue hoch und wirft ihm einen perfekt nachgeahmten paranoiden Blick zu. »Sie sieht aus wie der NORAD-Kommandobunker in Colorado Springs«, antwortet er.
»Genau!« Randy lacht. »Cheyenne Mountain.«
»Sie ist zu groß«, verkündet Cantrell. Er weiß, dass Randy genau dasselbe denkt.
Also beschließt Randy, den Advocatus Diaboli zu spielen. »Der Sultan hat eben gern alles groß. In dem großen Flughafengebäude hängen große Gemälde von ihm.«
Cantrell schüttelt den Kopf. »Das Informationsministerium ist ein seriöses Projekt. Das hat der Sultan sich nicht einfach ausgedacht. Das haben seine Technokraten entworfen.«
»Wie ich gehört habe, hat Avi ganz schön aufs Blech gehauen...«
»Wie auch immer. Aber die Leute im Hintergrund, wie Mohammed Pragasu, sind alle auf der Stanford B-School gewesen. Oder haben ihren Abschluss in Oxford oder an der Sorbonne gemacht. Die Krypta ist bis hin zur Türschwelle von Deutschen entworfen. Diese Höhle ist kein Denkmal für den Sultan.«
»Nein, es ist kein reines Prestigeobjekt«, pflichtet Randy ihm bei, während er an den kühlen Maschinenraum denkt, den Tom Howard dreihundert Meter unter dem Nebelwald baut.
»Dann muss es aber eine rationale Erklärung dafür geben, dass sie so groß ist.«
»Vielleicht steht es im Unternehmensplan?«, äußert Randy.
Cantrell zuckt die Schultern; er hat ihn auch nicht gelesen. »Der letzte, den ich von Anfang bis Ende gelesen habe, war Plan Nummer eins. Vor einem Jahr«, gibt Randy zu.
»Das war ein guter Unternehmensplan«, sagt Cantrell. 11
Randy wechselt das Thema. »Ich habe meine Passphrase vergessen. Muss jetzt dieses biometrische Ding mit dir machen.«
»Dazu ist es hier zu laut«, erwidert Cantrell, »es basiert darauf, dass es deine Stimme hört, während du diesen Fourier-Scheiß machst und ein paar Schlüsselnummern aufsagst. Wir machen es später in meinem Zimmer.«
Da Randy sich irgendwie verpflichtet fühlt zu erklären, warum er seine E-Mail vernachlässigt hat, sagt er: »Ich hatte wahnsinnig viel um die Ohren, hatte die ganze Zeit mit diesen Leuten von AVCLA in Manila zu tun.«
»Klar. Wie läuft’s da?«
»Pass auf. Mein Job ist nicht weiter schwierig«, erwidert Randy. »Da ist erst mal das dicke Kabel der Japaner, das von Taiwan runter nach Luzon führt. Mit einem Router an jedem Ende. Dann kommt das Netz aus kurzen Kabeln, das die Leute von AVCLA auf den Philippinen von Insel zu Insel verlegen. Jedes Kabelsegment beginnt und endet, wie du weißt, an einem Router. Und mein Job besteht darin, die Router zu programmieren, dafür zu sorgen, dass die Daten von Taiwan nach Kinakuta immer freie Bahn haben.«
Besorgt, man könnte ihm die aufsteigende Langeweile anmerken, wendet Cantrell den Blick ab. Doch Randy wirft sich praktisch über den Tisch, denn er weiß, dass es nicht langweilig ist. »John! Du bist jetzt eine große Kreditkartenfirma!«
»Gut.« Leicht genervt schaut Cantrell ihn an.
»Deine Daten sind im Datenhafen von Kinakuta gespeichert. Jetzt musst du ein Terabyte kritischer Daten herunterladen. Du startest den Vorgang – deine verschlüsselten Bytes sausen mit einem Gigabyte pro Sekunde durch die Philippinen nach Taiwan und von dort quer durch die Staaten.« Um die Spannung zu erhöhen, hält Randy inne, nimmt einen kräftigen Schluck Guinness. »Dann kentert vor Cebu eine Fähre.«
»Und?«
»Und innerhalb der nächsten zehn Minuten greifen hunderttausend Filipinos gleichzeitig zum Telefon.«
Cantrell schlägt sich an die Stirn. »O Gott!«
»Verstehst du jetzt? Ich habe dieses Netz so konfiguriert, dass der Datenstrom, egal was passiert, weiterhin zu diesem Kreditkartenunternehmen fließt. Etwas langsamer vielleicht – aber er fließt.«
»Jetzt ist mir klar, warum dich das so in Beschlag genommen hat.«
»Deswegen bin ich eigentlich auch nur scharf darauf, diese Router zu beschleunigen. Nebenbei bemerkt, sind es gute Router, aber sie haben einfach nicht genug Kapazität, um eine Krypta von diesem Umfang zu bedienen oder sie ökonomisch zu rechtfertigen.«
»Avis und Beryls Erklärung lautet im Wesentlichen«, sagt Cantrell, »dass Epiphyte nicht mehr das einzige Unternehmen
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