Cryptonomicon
luftdichten Trommel voller Scheiße eingesperrt sind und auf Befehl Ventilräder drehen oder Schalter umlegen, und von Zeit zu Zeit kreuzt vielleicht ein Offizier bei ihnen auf und sagt ihnen, dass sie gerade einen Haufen Leute umgebracht haben.
Da ist die Kiste – sie ist auf einer Koje gelandet. Shaftoe zerrt sie näher heran, wuchtet den Deckel hoch. Der Inhalt ist durcheinander geworfen und es ist mehr als eine purpurrote Flasche darin, sodass er einen Moment lang in Panik gerät, weil er meint, er müsse sämtliche Etiketten in dieser unheimlichen germanischen Schrift lesen, doch er findet das MORPHIUM binnen weniger Sekunden, schnappt es sich, steckt es ein.
Er ist auf dem Rückweg Richtung Turm, als von außen ein gewaltiger Brecher gegen das Boot schmettert und ihn umwirft. Er stürzt in Rückwärts-Purzelbäumen ein langes, langes Stück durch die Mitte des Bootes abwärts, ehe er sich wieder fängt. Alles ist schwarz geworden; er hat seine Taschenlampe verloren.
Nun gerät er um ein Haar in Panik. Nicht dass er normalerweise zur Panik neigt, aber er hat schon eine ganze Weile kein Morphium mehr bekommen und in diesem Zustand reagiert sein Körper überempfindlich. Er wird halb geblendet von einem starken blauen Lichtblitz, der losgegangen ist, ehe seine Augen Zeit zum Blinzeln haben. Von weiter unten kommt ein brutzelndes Geräusch. Er bewegt die linke Hand und spürt ein Zupfen am Handgelenk: die Kordel der Taschenlampe, die darum zu binden er die Geistesgegenwart hatte. Die Lampe scharrt und scheppert gegen das Stahlgitter, auf dem er mit ausgestreckten Armen und Beinen liegt, wie ein Heiliger auf dem Feuerrost. Erneut ein blauer Lichtblitz, durchzogen von einem Netz schwarzer Linien und begleitet von einem brutzelnden Geräusch. Shaftoe riecht Elektrizität. Er klopft ein paarmal mit der Taschenlampe gegen das Gitter und sie geht flackernd wieder an.
Das Gitter besteht aus bleistiftdicken Stangen, die ein paar Zentimeter auseinander stehen. Er liegt mit dem Gesicht nach unten darauf und blickt in einen Laderaum, der unter ihm wäre, wenn das Unterseeboot waagrecht läge. Der Laderaum ist ein einziges Chaos, sein vordem ordentlich gestapelter und in Kisten verpackter Inhalt zu einem Eintopf aus zerbrochenem Glas, gesplittertem Holz, Nahrungsmitteln, Sprengkörpern und strategischen Mineralien verrührt und mit Meerwasser vermischt, sodass er mit dem Geschaukel des toten Unterseeboots hin und her schwappt. Genau neben seinem Kopf fällt eine vollkommen gerundete, zitternde Kugel aus Silber durch das Gitter, trudelt durch den Lampenstrahl nach unten und zerplatzt an einem Stück Schutt. Dann eine zweite. Er blickt bergauf und sieht einen Schauer von Silberkügelchen, die über die Flurplatten auf ihn zu hüpfen und kullern: die Quecksilbersäulen zur Druckmessung müssen geplatzt sein. Abermals ein blendender blauer Blitz: ein elektrischer Funke mit einer Menge Saft dahinter.Wieder blickt Shaftoe durch das Gitter hinab und bemerkt, dass der Laderaum mit riesigen Metallschränken gefüllt ist, aus denen gewaltige Bolzen hervorstehen. Ab und zu überbrückt ein Stück nasser Schutt die Lücke zwischen zwei dieser Bolzen und ein Funke erleuchtet den Raum: Die Schränke sind Batterien, sie ermöglichen es dem Unterseeboot, unter Wasser zu fahren.
Während Sergeant Robert Shaftoe, das Gesicht gegen das kalte Gitter gedrückt, da liegt, ein paar tiefe Atemzüge tut und seine Angst zu überwinden sucht, bringt eine große Welle das Boot so heftig zum Schaukeln, dass er fürchtet, nach hinten zu fallen und bis in den unter Wasser liegenden Bug zu stürzen. Die Brühe im Batterieraum wälzt sich bergab, gewinnt im Herabstürzen Kraft und Geschwindigkeit und trifft mit fürchterlicher Wucht auf das vordere Schott des Laderaums; Shaftoe kann unter dem Anprall Bolzen nachgeben hören. Dabei tritt im Licht von Bobby Shaftoes Taschenlampe der größte Teil des Batterieraums bis hinunter zum Boden zutage. Und in diesem Augenblick sieht er die zersplitterten Kisten dort unten – sehr kleine Kisten, wie man sie etwa für sehr schwere Materialien verwendet. Sie sind aufgebrochen. Durch die Lücken in den Trümmern kann Shaftoe gelbe Ziegelsteine sehen, die einmal ordentlich gestapelt waren und nun überall verstreut sind. Sie sehen genau so aus, wie er sich Goldbarren vorstellen würde. Gegen diese Theorie spricht lediglich, dass es da unten viel zu viele davon gibt, als dass es Goldbarren sein könnten. Es ist wie
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