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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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sich an den Tisch und beschäftigt sich ein, zwei Stunden lang damit, den Schlüsseltext von den Blättern des Skippers abzuschreiben, wobei er jede Codegruppe doppelt und dreifach überprüft, um sicherzugehen, dass er eine genaue Abschrift erhält.
    Einerseits ist das furchtbar öde. Andererseits gibt es ihm die Möglichkeit, den Schlüsseltext auf niedrigster Ebene von Hand durchzugehen, was sich später als nützlich erweisen könnte. Die ungeheure Begabung dafür, Muster im Chaos auszumachen, kann nur zum Tragen kommen, wenn er sich zuerst in das Chaos versenkt. Wenn die Blätter Muster enthalten, so erkennt er sie vorderhand noch nicht, jedenfalls nicht auf rationale Weise. Womöglich aber kann sich nun, da er die Buchstaben vor Augen und unter seinem Bleistift gehabt hat, irgendein subrationaler Teil seines Geistes an die Arbeit machen, der ihm in ein paar Wochen, wenn er sich gerade rasiert oder an der Antenne kurbelt, urplötzlich einen wichtigen Hinweis – oder gar die komplette Lösung – präsentiert.
    Er ist sich seit einiger Zeit vage bewusst, dass Chattan und die anderen mittlerweile wach sind. Mannschaftsdienstgrade dürfen nicht in den Altarraum, doch die Offiziere scharen sich um den Goldbarren und bewundern ihn.
    »Am Codeknacken, Waterhouse?«, fragt Chattan, der sich die Hände an einem Kaffeebecher wärmt und zum Schreibtisch herübergeschlendert kommt.
    »Ich mache nur eine Abschrift«, sagt Waterhouse und fügt dann, weil er nicht ohne eine gewisse Gerissenheit ist, hinzu: »Falls die Originale unterwegs vernichtet werden.«
    »Sehr klug«, sagt Chattan nickend. »Sagen Sie, Sie haben doch nicht irgendwo einen zweiten Goldbarren versteckt, oder?«
    Waterhouse ist schon lange genug beim Militär, um den Köder nicht zu schlucken. »Das Geräuschmuster, das sich ergab, als wir den Safe hin und her gekippt haben, hat darauf hingedeutet, dass sich nur ein einziger schwerer Gegenstand darin befand, Sir.«
    Chattan schmunzelt und nimmt einen Schluck Kaffee. »Es würde mich interessieren, ob Sie diesen Code knacken können, Commander Waterhouse. Ich bin versucht, Geld darauf zu setzen.«
    »Ich weiß das zu schätzen, aber es wäre eine lausige Wette, Sir«, erwidert Waterhouse. »Sehr wahrscheinlich hat Bletchley Park diesen Code schon geknackt, was immer er sein mag.«
    »Wie kommen Sie darauf?«, fragt Chattan geistesabwesend.
    Für einen Mann in Chattans Position ist die Frage so albern, dass sie Waterhouse verwirrt. »Sir, Bletchley Park hat fast alle deutschen militärischen und staatlichen Codes geknackt.«
    Chattan verzieht das Gesicht in gespielter Enttäuschung. »Waterhouse! Wie unwissenschaftlich. Sie machen Annahmen.«
    Waterhouse denkt zurück und versucht, dahinter zu kommen, was das heißen soll.
    »Sie meinen, das ist vielleicht gar kein deutscher Code? Oder kein militärischer oder staatlicher?«
    »Ich warne Sie lediglich davor, Annahmen zu machen«, sagt Chattan.
    Waterhouse denkt noch darüber nach, als sich ihnen Lieutenant Robson, der befehlshabende Offizier des SAS-Zuges, nähert. »Sir«, sagt er, »den Burschen in London zuliebe wüssten wir gern die Kombination.«
    »Die Kombination?«, fragt Waterhouse verständnislos. Ohne Kontext könnte das Wort so gut wie alles bedeuten.
    »Jawohl, Sir«, sagt Robson deutlich. »Für den Safe.«
    »Ach so!«, sagt Waterhouse. Er ist leicht irritiert darüber, dass man ihm diese Frage stellt. Es erscheint wenig sinnvoll, die Kombination zu notieren, wenn die Ausrüstung, die man braucht, um den Safe aufzukriegen, gleich daneben steht. Es ist viel wichtiger, einen Safeknack-Algorithmus zu finden als eine bestimmte Lösung für ein Safeknack-Problem. »Ich weiß nicht«, sagt er. »Ich hab sie vergessen.«
    »Sie haben sie vergessen?«, sagt Chattan. Er sagt es Robson zuliebe, der sich heftig auf die Zunge zu beißen scheint. »Haben Sie sie vielleicht notiert, bevor Sie sie vergessen haben?«
    »Nein«, sagt Waterhouse, »aber ich weiß noch, dass sie ausschließlich aus Primzahlen besteht.«
    »Na! Das vereinfacht die Sache doch!«, sagt Chattan fröhlich. Robson allerdings scheint nicht besänftigt.
    »Und es sind insgesamt fünf Zahlen, was insofern interessant ist, als -«
    »Als fünf selbst eine Primzahl ist!«, ergänzt Chattan. Wieder einmal freut sich Waterhouse darüber, dass sein befehlshabender Offizier Anzeichen einer gediegenen und teuren Bildung erkennen lässt.
    »Schön«, verkündet Robson zwischen zusammengebissenen

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