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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Welt.«
    Randy sagt: »Du hast mich vorhin gefragt, was das höchste und wertvollste Ziel ist, dem wir unser Leben widmen können. Und die nahe liegende Antwort lautet: ›weitere Holocausts zu verhindern‹.«
    Avi lacht finster. »Ich bin froh, dass sie auch für dich nahe liegend ist, mein Freund. Ich hatte schon langsam das Gefühl, der Einzige zu sein.«
    »Was? Jetzt mach aber mal halblang, Avi. Die Leute gedenken doch andauernd des Holocausts.«
    »Des Holocausts zu gedenken ist absolut nicht, ich wiederhole: ab-so-lut nicht dasselbe, wie wenn man sich aktiv für die Verhinderung weiterer Massenvernichtungen einsetzt. Die meisten Teilnehmer an den Gedenkfeiern sind nichts als Jammerer. Sie meinen, wenn nur jeder die Holocausts der Vergangenheit verurteilt, wird sich die menschliche Natur auf wundersame Weise verwandeln und in Zukunft wird niemand mehr eine Neigung zum Völkermord verspüren.«
    »Ich nehme an, du teilst diese Ansicht nicht, Avi?«
    »Schau dir doch Bosnien an!«, spottet Avi. »Die menschliche Natur verändert sich nicht, Randy. Bildung ist ein hoffnungsloses Unterfangen. Die gebildetsten Menschen der Welt können sich so« – dabei schnippt er mit den Fingern – »in Azteken oder Nazis verwandeln.«
    »Welche Hoffnung bleibt uns dann?«
    »Statt um die Bildung und Erziehung der potentiellen Täter von Massenvernichtungen geht es uns um die Bildung und Erziehung der potentiellen Opfer . Wenigstens sie werden ein bisschen aufmerken .«
    »Erziehung in welcher Weise?«
    Avi schließt die Augen und schüttelt den Kopf. »Darüber könnte ich stundenlang reden, Randy – ich habe einen ganzen Lehrplan aufgestellt.«
    »Gut, damit beschäftigen wir uns später.«
    »Auf jeden Fall später. Jetzt ist erst einmal die Krypta das Allerwichtigste. Ich kann all meine Gedanken nehmen und in ein einziges Informationspaket packen, aber fast jeder Staat der Welt würde dessen Verteilung an alle seine Bürger verhindern. Wir müssen die Krypta unbedingt bauen, damit HEAP weltweit frei zugänglich ist.«
    »HEAP?«
    »Das Holocaust-Erziehungs- und Abwehrpaket.«
    »Ach du lieber Himmel!«
    »Das ist der eigentliche Sinn dessen, woran du arbeitest«, sagt Avi, »und deshalb bitte ich dich eindringlich, nicht den Mut zu verlieren. Immer wenn das Nummernschildermachen auf den Philippinen anfängt, dich zu langweilen, denk an HEAP. Denk daran, was diese Nahuatl-Dorfbewohner mit den verdammten Azteken hätten machen können, wenn sie ein Holocaust-Abwehr-Handbuch – einen Leitfaden der taktischen Guerillakriegsführung – gehabt hätten.«
    Randy sitzt eine Weile da und grübelt. »Wir müssen gehen und Wasser kaufen«, sagt er schließlich. »Vom bloßen Hier-Sitzen habe ich ein paar Liter Schweiß verloren.«
    »Wir können zum Hotel zurückgehen«, entgegnet Avi, »ich bin im Grunde fertig.«
    »Du bist fertig. Ich habe noch nicht einmal angefangen«, sagt Randy.
    »Womit angefangen?«
    »Dir zu erzählen, warum ich mich auf den Philippinen ganz bestimmt nicht langweilen werde.«
    Avi zwinkert ihm zu. »Hast du ein Mädchen kennen gelernt?«
    »Nein!«, erwidert Randy gereizt und meint natürlich ja . »Komm, lass uns gehen.«
    Sie gehen in einen nahe gelegenen 24-Jam-Supermarkt und kaufen bläuliche Plastikwasserflaschen, so groß wie Hohlblocksteine. Dann schlendern sie durch die Straßen, die voll gestopft sind mit Essenskarren, von denen ein unerträglich würziger Duft ausgeht, und schlürfen dabei ihr Wasser.
    »Vor ein paar Tagen habe ich eine E-Mail von Doug Shaftoe bekommen«, sagt Randy. »Von seinem Boot, per Satellitentelefon.«
    »In Klartext?«
    »Ja. Ich bearbeite ihn die ganze Zeit, dass er sich Ordo besorgen und seine E-Mails verschlüsseln soll, aber er will nicht.«
    »Das ist wirklich unprofessionell«, brummt Avi. »Er müsste unbedingt paranoider sein.«
    »Er ist so paranoid, dass er nicht einmal Ordo vertraut.«
    Avis finstere Miene entspannt sich. »Ach so. Dann ist ja gut.«
    »Seine E-Mail enthielt einen blöden Witz über Imelda Marcos.«
    »Du hast mich zu diesem Spaziergang mitgenommen, um mir einen Witz zu erzählen?«
    »Nein, nein, nein«, sagt Randy. »Der Witz war ein vorher vereinbartes Zeichen. Doug hatte mir gesagt, er würde mir eine E-Mail mit einem Imelda-Witz schicken, falls etwas Bestimmtes passierte.«
    »Falls was passierte?«
    Randy trinkt einen großen Schluck Wasser, holt tief Luft und sammelt sich. »Vor über einem Jahr habe ich mich bei der Riesenparty, die

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