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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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der zwischen einem selbst und einer Erzmine steht.
    Ein Unteroffizier begleitet Goto Dengo und seinen einen überlebenden Kameraden von der äußeren Verteidigungslinie zu einem Zelt, das man im Schlamm aufgeschlagen hat und dessen Schnüre nicht an Pflöcken, sondern an gezackten Stücken von Baumstümpfen oder schweren Splittern kaputter Waffen befestigt sind. Im Innern ist der Schlamm mit den Deckeln von Holzkisten gepflastert. Ein Mann von ungefähr fünfzig sitzt mit bloßem Oberkörper und übereinander geschlagenen Beinen auf einer leeren Munitionskiste. Seine Augenlider sind so schwer und geschwollen, dass man kaum entscheiden kann, ob er wach ist. Er atmet unregelmäßig. Beim Einatmen zieht sich seine Haut in die Zwischenräume zwischen den Rippen zurück, sodass die Illusion entsteht, sein Skelett versuche, aus seinem dem Untergang geweihten Körper auszubrechen. Er hat sich lange nicht mehr rasiert, doch für einen richtigen Bart reicht sein Backenhaar nicht. Er redet leise auf einen Schreiber ein, der in der Hocke auf einer Kiste mit der Aufschrift MANILA sitzt und seine Worte mitschreibt.
    Goto Dengo und sein Kamerad stehen vielleicht eine halbe Stunde da und versuchen verzweifelt, ihrer Enttäuschung Herr zu werden. Er hat damit gerechnet, bis dahin schon in einem Lazarettbett zu liegen und Miso-Suppe zu trinken. Aber die Leute hier sind in schlechterer Verfassung als er; er befürchtet, sie könnten ihn um Hilfe bitten.
    Trotzdem tut es gut, eine Plane über dem Kopf zu haben und vor jemandem zu stehen, der Autorität hat und die Dinge in die Hand nimmt. Immer wieder kommen Schreiber mit entschlüsselten Nachrichten ins Zelt, was bedeutet, dass es hier irgendwo eine funktionierende Funkstation und einen Stab mit Codebüchern gibt. Sie sind nicht völlig von der Außenwelt abgeschnitten.
    »Was für Fertigkeiten besitzen Sie?«, fragt der Offizier, als Goto Dengo endlich Gelegenheit bekommt, sich vorzustellen.
    »Ich bin Ingenieur«, sagt Goto Dengo.
    »Aha. Können Sie Brücken bauen? Landepisten?«
    Der Offizier gibt sich hier einer kleinen Fantasterei hin; Brücken und Landepisten sind für sie ebensowenig machbar wie intergalaktische Raumschiffe. Sämtliche Zähne sind ihm ausgefallen, sodass er seine Worte mümmelt, und manchmal muss er in einem einzigen Satz zwei-, dreimal innehalten, um Atem zu holen.
    »Ich werde dergleichen bauen, wenn mein Kommandant es wünscht, obwohl andere für solche Dinge besser befähigt sind. Mein Spezialgebiet ist der Tiefbau.«
    »Unterstände?«
    Eine Wespe sticht ihn in den Nacken und er holt scharf Atem. »Ich werde Bunker bauen, wenn mein Kommandant es wünscht. Mein Spezialgebiet sind Tunnel, in Erde oder in Fels, besonders aber in Fels.«
    Der Offizier starrt Goto Dengo ein paar Augenblicke lang unverwandt an, dann richtet er den Blick auf seinen Schreiber, der sich leicht verbeugt und es niederschreibt.
    »Ihre Fähigkeiten sind hier nutzlos«, sagt der Offizier wegwerfend, als träfe das praktisch auf jeden zu.
    » Taisa! Ich kann auch mit dem leichten Maschinengewehr umgehen.«
    »Das Nambu ist eine schlechte Waffe. Nicht so gut wie das, was die Amerikaner und die Australier haben. Im Dschungelkampf trotzdem gut zu gebrauchen.«
    » Taisa! Ich werde unseren Posten bis zu meinem letzten Atemzug verteidigen -«
    »Leider werden sie uns nicht vom Dschungel aus angreifen. Sie bombardieren uns. Aber mit dem Nambu kann man kein Flugzeug treffen. Wenn sie kommen, werden sie vom Meer her kommen. Und gegen ein Landeunternehmen ist das Nambu nutzlos.«
    » Taisa! Ich habe sechs Monate lang im Dschungel gelebt.«
    »So?« Zum ersten Mal wirkt der Offizier interessiert. »Wovon haben Sie sich ernährt?«
    »Von Larven und Fledermäusen, Taisa!«
    » Besorgen Sie mir welche.«
    »Sofort, Taisa!«
     
     
     
    Er dröselt ein altes Seil auf, um Bindfaden zu bekommen, knüpft den Bindfaden zu Netzen und hängt die Netze in Bäume. Sobald er das erledigt hat, ist sein Leben einfach: Jeden Morgen klettert er auf die Bäume, um Fledermäuse aus den Netzen zu holen. Den Nachmittag bringt er damit zu, mit dem Bajonett Larven aus verrotteten Baumstämmen zu stochern. Die Sonne geht unter und er steht in einem Schützenloch voll stinkender Brühe, bis sie wieder aufgeht.Wenn nahebei Bomben explodieren, versetzt ihn die Erschütterung in einen Schockzustand, der so tief ist, dass der Geist sich völlig vom Körper ablöst; noch mehrere Stunden danach läuft sein Körper herum und

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