Cryptonomicon
zufällig genau in dem Moment vorbeikommt, in dem ein Zimmer frei wird. Kryptoanalytiker warten auf glückliche Zufälle und nutzen sie dann aus. Nachdem der abreisende Soldat um die Ecke verschwunden ist, klopft er an die Tür und stellt sich der Frau vor. Mrs. Mc Teague sagt (soweit Waterhouse aus ihrem Akzent schlau werden kann), dass ihr sein Gesicht sympathisch sei. Sie hört sich deutlich erstaunt an. Wie es scheint, ist die Unwahrscheinlichkeit, dass Waterhouse zufällig auf dieses freie Zimmer gestoßen ist, nichts im Vergleich mit der Unwahrscheinlichkeit, dass Mrs. McTeague sein Gesicht sympathisch findet. Und so stößt Lawrence Pritchard Waterhouse zu einer kleinen Elitegruppe junger Männer (insgesamt vier), deren Gesichter Mrs. McTeague sympathisch findet. Sie schlafen, jeweils zu zweit, in den Zimmern, in denen Mrs. McTeagues Nachkommen von den klügsten und schönsten Kindern, die jemals geboren wurden, zu den prächtigsten Erwachsenen auf Gottes Erde, ausgenommen der König von England, der General und Lord Mountbatten, heranwuchsen.
Waterhouses neuer Zimmergenosse ist im Moment nicht in der Stadt, aber nach einem flüchtigen Blick auf seine persönliche Habe vermutet Waterhouse, dass er in einem schwarzen Kajak von Australien zum Flottenstützpunkt Yokosuka paddelt, wo er sich an Bord eines Schlachtschiffes schleichen und dessen gesamte Mannschaft geräuschlos mit bloßen Händen umbringen wird, um sodann mit einem olympiareifen Kopfsprung in die Bucht zu springen, ein paar Haie auszuknocken, wieder in seinen Kajak zu klettern und auf ein Bier nach Australien zurückzupaddeln.
Am nächsten Morgen, beim Frühstück, lernt er die Burschen vom Zimmer nebenan kennen: einen rothaarigen britischen Marineoffizier, der sämtliche Merkmale eines im Central Bureau Beschäftigten aufweist, und einen Burschen namens Hale, dessen Nationalität sich nicht bestimmen lässt, weil er zu verkatert ist, um etwas zu sagen.
Nachdem er (seiner Übereinkunft mit den Trabanten des Generals zufolge) seinen Auftrag erledigt, eine Wohnung gefunden und seine anderen persönlichen Angelegenheiten geregelt hat, beginnt Waterhouse, um die Rennbahn von Ascot und das angrenzende Bordell herumzulungern, und versucht eine Möglichkeit zu finden, sich nützlich zu machen. Eigentlich würde er lieber den ganzen Tag in seinem Zimmer sitzen und an seinem neuen Projekt, der Konstruktion einer Hochgeschwindigkeits-Turing-Maschine, arbeiten. Aber er hat die Pflicht, zu der Kriegsanstrengung beizutragen. Selbst wenn es nicht so wäre, vermutet er, würde ihn sein neuer Zimmergenosse, wenn er von seinem Einsatz zurückkäme und ihn den ganzen Tag in seinem Zimmer hocken und Diagramme zeichnen sähe, so verdreschen, dass Mrs. McTeague sein Gesicht nicht mehr sympathisch fände.
Central Bureau ist, um es milde auszudrücken, nicht gerade ein Ort, wo ein Fremder einfach hereinschneien, sich gründlich umsehen, sich vorstellen und dann eine Beschäftigung finden kann. Schon das Hereinschneien ist potenziell tödlich. Zum Glück hat Waterhouse Sicherheitsstufe Ultra Mega, die höchste Sicherheitsstufe auf der ganzen Welt.
Leider ist diese Geheimhaltungskategorie ihrerseits so geheim, dass schon ihre bloße Existenz ein Geheimnis ist und er sie demzufolge eigentlich niemandem offenbaren darf – es sei denn, er findet jemanden, der Sicherheitsstufe Ultra Mega hat. In ganz Brisbane gibt es nur ein Dutzend Leute mit dieser Sicherheitsstufe. Acht davon umfassen die Spitze der Befehlshierarchie des Generals, drei arbeiten im Central Bureau und einer ist Waterhouse.
Waterhouse spürt das Nervenzentrum in dem ehemaligen Bordell auf. Überalterte australische Territorial Guards mit flotten asymmetrischen Hüten umstehen das Gebäude, in den Händen Donnerbüchsen. Im Gegensatz zu Mrs. McTeague ist ihnen sein Gesicht nicht sympathisch. Andererseits sind sie an derlei gewöhnt: Kluge Jungs von weither erscheinen am Tor und erzählen lange und letzten Endes langweilige Geschichten darüber, wie das Militär ihre Befehle durcheinander gebracht, sie in das falsche Boot gesetzt, sie an den falschen Ort geschickt, ihnen Tropenkrankheiten angehängt, ihre Habseligkeiten über Bord geworfen und sie ihrem Schicksal überlassen habe. Sie erschießen ihn nicht, aber sie lassen ihn auch nicht herein.
Er lungert ein paar Tage dort herum und geht allen auf die Nerven, bis er schließlich Abraham Sinkov erkennt und von diesem erkannt wird. Sinkov ist ein
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