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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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der Tojo, dargestellt als dicke blaue Tintenspur.
    »Wir haben die Steinlawine ausgelöst«, sagt Noda, »wie im Plan vorgesehen.«
    Vor langer Zeit hatten sie oberhalb einer Engstelle im Fluss Gestein angehäuft, um damit rasch einen kleinen Damm schaffen zu können. Doch das Auslösen der Sprengladung, die es in den Fluss stürzen ließ, sollte praktisch der letzte Schritt sein, den sie unternahmen, ehe sie sich selbst in der Anlage einschlossen.
    »Aber wir sind noch nicht so weit«, sagt Goto Dengo.
    Noda lacht. Er scheint ziemlich gehobener Stimmung zu sein. »Sie erzählen mir seit einem Monat, dass Sie so weit sind.«
    »Ja«, sagt Goto Dengo langsam und mit belegter Stimme, »Sie haben Recht. Wir sind so weit.«
    Noda klopft ihm auf den Rücken. »Sie müssen zum Haupteingang, ehe er überflutet wird.«
    »Und meine Leute?«
    »Ihre Leute warten dort auf Sie.«
    Goto Dengo marschiert in Richtung des Pfades los, der ihn zum Haupteingang hinunterführen wird. Unterwegs kommt er an der Öffnung eines weiteren Belüftungschachts vorbei. Mehrere Dutzend Arbeiter stehen dort Schlange, die Daumen hinter dem Rücken mit Klavierdraht zusammengebunden, bewacht von Soldaten mit aufgepflanzten Bajonetten. Einer nach dem anderen knien die Gefangenen am Schachtrand nieder. Mit fürchterlichem Grunzen schlägt Lieutenant Mori jedem sein Schwert in den Nacken. Kopf und Körper stürzen nach vorn in den Belüftungsschacht und klatschen ein paar Sekunden später weit unten auf andere Körper. Im Umkreis von drei Metern um die Schachtöffnung ist jedes Blatt und jeder Kiesel klatschnass von hellrotem Blut, genau wie Lieutenant Mori.
    »Machen Sie sich deswegen keine Gedanken«, sagt Hauptmann Noda. »Ich werde dafür sorgen, dass die Schächte wie besprochen mit Schutt verfüllt werden. Der Dschungel wird sie längst überwuchert haben, ehe die Amerikaner diesen Ort finden.«
    Goto Dengo kehrt den Blick ab und wendet sich zum Gehen.
    »Lieutenant Goto!«, sagt eine Stimme. Er dreht sich um. Es ist Lieutenant Mori, der einen Moment innehält, um Atem zu schöpfen. Vor ihm kniet ein Filipino, der auf Lateinisch ein Gebet murmelt und an einem Rosenkranz nestelt, der von seinen gefesselten Händen herabbaumelt.
    »Ja, Lieutenant Mori.«
    »Laut meinem Dienstplan sind Ihnen sechs Gefangene zugeteilt. Ich brauche sie.«
    »Diese sechs Gefangenen sind unten und helfen beim Verstauen der letzten Lieferung.«
    »Aber die gesamte Lieferung befindet sich mittlerweile in den Tunneln.«
    »Ja, aber sie ist nicht richtig verstaut. Der ganze Zweck der Narrenkammer wird verfehlt, wenn wir überall Gold und Diamanten verstreuen, sodass Diebe tiefer in die Höhlen hineingeführt werden. Ich brauche diese Männer, um die Arbeit fortzusetzen.«
    »Sie übernehmen die volle Verantwortung für sie?«
    »Ja«, sagt Goto Dengo.
    »Wenn es nur sechs sind«, sagt Hauptmann Noda, »müssten Ihre Leute sie eigentlich unter Kontrolle halten können.«
    »Ich sehe Sie dann inYasukuni, Goto Dengo«, sagt Lieutenant Mori.
    »Ich freue mich schon darauf«, antwortet Goto Dengo. Er fügt nicht hinzu, dass Yasukuni mittlerweile sehr überfüllt sein muss und sie wahrscheinlich fürchterliche Schwierigkeiten haben werden, einander zu finden.
    »Ich beneide Sie. Für uns hier draußen wird das Ende länger und härter sein.« Lieutenant Mori schlägt seine Klinge in den Hinterkopf des Filipinos und schneidet ihm zwischen einem Ave und einem Maria das Wort ab.
    »Ihr Heldentum wird nicht unbelohnt bleiben«, sagt Goto Dengo.
    Lieutenant Moris Leute erwarten ihn unten, vor dem Mauseloch, das in Golgatha hineinführt: vier handverlesene Soldaten. Jeder trägt das mit tausend Stichen genähte Stirnband und so hat jeder mitten auf der Stirn einen orangefarbenen Ball, der Goto Dengo jedoch nicht an die Aufgehende Sonne, sondern an eine Austrittswunde erinnert. Inzwischen reicht ihnen das Wasser bis zu den Oberschenkeln und der Eingangstunnel ist halb voll. Als Goto Dengo, dicht gefolgt von Hauptmann Noda, eintrifft, begrüßen ihn die Männer mit höflichen Beifallsrufen.
    Goto Dengo kauert sich in die Öffnung. Nur noch sein Kopf und seine Schultern schauen aus dem Wasser. Der Tunnel vor ihm ist schwarz. Ihn zu betreten kostet ihn eine gewaltige Willensanstrengung. Aber es ist nicht schlimmer als das, was er damals, auf Hokkaido, in den aufgelassenen Minen getan hat.
    Allerdings wurden die aufgelassenen Minen nicht durch Sprengungen hinter ihm verschlossen.
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