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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Ohnmachtsanfall nah. Er möchte hier nicht gänzlich die Kontrolle über seinen Verstand verlieren, aber vielleicht hat der Abend ja noch etwas Besseres für ihn auf Lager als in einer Schüssel Cap’n Crunch herumzustochern.
    Randy tritt in die Spur. Am liebsten würde er einfach durchstarten, direkt auf Amy zu, aber das wäre nicht ratsam. Es ist okay so.Vorfreude hat noch niemanden umgebracht.Vorfreude kann man sogar genießen. Wie sagte Avi doch gleich? Begehren ist manchmal besser als besitzen. Randy ist sich ziemlich sicher, dass Amy zu besitzen keine Enttäuschung wäre, aber zu begehren ist auch nicht schlecht. Er hält seine Laptoptasche vor sich und zieht den großen Seesack hinter sich her, bremst aber langsam ab, damit das Gepäckstück nicht aus seinem eigenen Schwung heraus weiterrollt und ihm die Knie bricht. Da steht der unvermeidliche lange Edelstahltisch und dahinter ein gelangweilter, wie ein Hydrant gebauter Mensch, der zum hunderttausendsten Mal in seinem Leben fragt: »Nationalität? Abflughafen?« Randy gibt ihm seine Papiere und beantwortet die Fragen, während er sich hinunterbeugt, um den Seesack auf die metallene Tischplatte zu hieven. »Können Sie bitte die Schlösser öffnen?« sagt der Zollinspektor. Randy bückt sich, schielt auf die kleinen Messingrädchen und versucht, sie in die richtige Zahlenkombination zu drehen.Während er das tut, hört er, wie der Zollbeamte gleich neben seinem Kopf den Reißverschluss der kleinen leeren Tasche oben auf dem Seesack aufzieht. Er hört ein Rascheln. »Was ist das?« fragt der Inspektor. »Sir? Sir?«
    »Ja, was denn?« sagt Randy, während er sich aufrichtet und dem Inspektor in die Augen schaut.
    Wie ein Model in einem Werbespot hält der Inspektor einen kleinen Ziploc-Beutel in Kopfhöhe und deutet mit der anderen Hand darauf. Hinter ihm geht eine Tür auf und Leute kommen heraus. Der Ziploc-Beutel ist zum Teil mit Zucker oder so etwas – vielleicht auch Puderzucker – gefüllt und zu einer zigarrenförmigen Nacktschnecke zusammengedreht worden.
    »Was ist das, Sir?«, wiederholt der Inspektor.
    Randy zuckt die Achseln. »Woher soll ich das wissen? Wo kommt es denn her?«
    »Es kommt aus Ihrer Tasche, Sir«, sagt der Inspektor und deutet auf die kleine Tasche.
    »Das kann nicht sein. Diese Tasche war leer«, entgegnet Randy.
    »Ist das Ihr Seesack, Sir?«, fragt der Inspektor und greift, um ihn sich anzusehen, mit einer Hand nach dem Gepäckkontrollzettel, der am Griff baumelt. Hinter ihm hat sich eine von Randy, der verständlicherweise nur den Inspektor im Auge hat, immer noch verschwommen wahrgenommene Menschentraube gebildet.
    »Das will ich doch hoffen – ich habe gerade die Schlösser geöffnet«, sagt Randy. Der Inspektor dreht sich um und gibt den Leuten hinter ihm ein Zeichen, woraufhin sie wie ein Mann vorwärts ins Licht kommen. Sie sind uniformiert und die meisten von ihnen tragen Schusswaffen. Kurz darauf sind einige von ihnen hinter Randy. Genau genommen haben sie ihn eingekreist. Randy schaut zu Amy hinüber, sieht aber nur ein Paar verlassene Schuhe: Sie rennt barfuß auf eine Reihe von Telefonen zu. Vermutlich wird er sie nie wieder im Kleid sehen.
    Er fragt sich, ob es unter rein taktischen Gesichtspunkten vielleicht ungeschickt ist, zu einem so frühen Zeitpunkt einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen.

Die Schlacht um Manila
    Bobby Shaftoe wird vom Geruch nach Rauch geweckt. Es ist nicht der Rauch von Plätzchen, die zu lang im Ofen gewesen sind, von Herbstlaubhaufen, die verbrannt werden, oder von Pfadfinder-Lagerfeuern. Es ist ein Gemisch aus anderen Arten von Rauch, mit denen er in den letzten beiden Jahren ziemlich vertraut geworden ist: Reifen, Treibstoff und Gebäude beispielsweise.
    Er stützt sich auf einen Ellbogen und wird gewahr, dass er auf dem Boden eines langen, schmalen Bootes liegt. Genau über seinem Kopf bläht sich ein schmutziges Leinwandsegel in einem tückischen, übel riechenden Wind. Es ist mitten in der Nacht.
    Er dreht den Kopf, um gegen die Windrichtung zu schauen. Seinem Kopf gefällt das gar nicht. Rasende Schmerzen versuchen, die Türen seines Verstandes zu zertrümmern. Aber die Schmerzen kommen nicht herein. Er spürt das gedämpfte Dröhnen, mit dem die genagelten Stiefel der Schmerzen gegen seine Eingangstür treten, aber das ist auch schon alles.
    Ah! Jemand hat ihm Morphium gegeben. Shaftoe grinst anerkennend. Das Leben ist schön.
    Die Welt ist dunkel – eine bleiern schwarze Halbkugel,

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