hören. Mittlerweile wird ihnen klar geworden sein, was gleich passieren wird. General MacArthur gibt ihnen genau das, worum sie gebetet haben.
Eigentlich soll sich Bobby Shaftoe zu diesem Zeitpunkt auf das Landungsboot abseilen, aber er weiß, dass es dazu nicht kommen wird. Kein Mensch kommt jetzt mehr an ihn heran, keiner kann ihm helfen. Als kein Dieselöl mehr durch den Schlauch strömt, konzentriert er sich, so gut er noch kann. Tut ein letztes Mal so, als wäre ihm nicht alles egal. Zieht den Sicherungssplint einer Phosphorgranate, lässt den Griff wegfliegen und lustig über das Dach klimpern. Er spürt, wie sie in seiner Hand lebendig wird, spürt das dumpfe, animalische Zischen ihrer inneren Zündschnur. Er lässt sie in den Luftschacht fallen: ein kreisrundes, senkrecht nach unten führendes Rohr, eine schwarze Scheibe auf einem schmutzig grauen Feld, wie die Asche einer japanischen Flagge.
Dann, einem Impuls folgend, stürzt er sich ihr nach.
Semper Fidelis
Dämmerstern auf Nachtscheibe
Fall in die Sonne
METIS
Das Auftauchen von
[email protected] in der Zelle gleich neben Randys ist sozusagen die krönende Wendung in der Handlung dieses Kasperletheaters, das seit der Landung seines Flugzeugs auf dem NAIA für ihn inszeniert worden ist. Er weiß, dass wie bei jedem Puppentheater eine Menge Leute außerhalb seines Wahrnehmungsbereichs versteckt sein müssen und dass diese Leute in hektischer Betriebsamkeit versuchen, das Stück über die Bühne zu bringen. Soweit er weiß, wird soeben ein erklecklicher Teil des philippinischen Bruttosozialprodukts darauf verwendet, diese Illusion für ihn aufrechtzuerhalten.
Auf dem Boden von Randys Zelle wartet ein Teller mit Essen, und auf dem Essen sitzt eine Ratte. Normalerweise reagiert Randy ziemlich heftig auf den Anblick von Ratten; sie sprengen das System von Dämmen, das Kinderstube und Erziehung um den Teil seines Bewusstseins gebaut haben, in dem Dinge wie das kollektive Unbewusste wohnen, und schicken ihn geradewegs ins Land des Hieronymus Bosch. Unter diesen Umständen stört es ihn jedoch nicht mehr, als wenn er eine im Zoo sieht. Die Ratte hat ein erstaunlich ansprechendes wildlederartiges Fell und einen ungefähr bleistiftdicken Schwanz, der offensichtlich einer Bäuerin mit einem Tranchiermesser in die Quere gekommen ist und wie der Antennenstummel eines Handys steif in die Luft ragt. Randy hat Hunger, aber keine Lust, etwas zu essen, worauf eine Ratte ihre Fußspuren hinterlassen hat. Also betrachtet er sie nur.
Sein Körper fühlt sich an, als hätte er lange geschlafen. Er schaltet den Computer ein und tippt den Befehl »Datum«. Die Nägel seiner linken Hand sehen komisch aus, als wären sie alle gequetscht worden. Bei näherem Hinsehen erkennt er auf dem Nagel des Zeigefingers ein mit blauem Kugelschreiber aufgemaltes Kreuz, auf dem Mittelfinger ein Karo, auf dem Ringfinger ein Herz und auf dem kleinen Finger ein Pik. Enoch Root hat ihm gesagt, dass bei Pontifex wie beim Bridge jede Karte in dem Stapel einen Zahlenwert besitzt: Kreuz 1-13, Karo 14-26, Herz 27-39, Pik 40-52. Randy hat sich die Symbole auf die Fingernägel gemalt, damit er sie nicht vergisst.
Jedenfalls sagt ihm »Datum«, dass er offenbar den ganzen Nachmittag und Abend des Vortages, die ganze Nacht und den halben heutigen Tag geschlafen hat. Was diese Ratte da vertilgt, ist also sein Mittagessen.
Randys Computer arbeitet mit Finux; beim Booten präsentiert er ihm einen schwarzen Bildschirm mit dicken, fetten, weißen Buchstaben, die Zeile für Zeile darauf vorrollen, also eine für die Zeit um 1975 typische Benutzeroberfläche. Vermutlich auch die denkbar einfachste Art,Van-Eck-Phreaking zu ermöglichen. Randy tippt »startx«, woraufhin der Bildschirm einen Augenblick schwarz wird und dann eine bestimmte Indigotönung annimmt, die Randy zufällig mag, und beigefarbene Fenster mit viel kleineren, deutlicheren Buchstaben darauf erscheinen. Jetzt läuft also X-Windows oder X, wie Randy und die Leute in seinem Metier es nennen, ein System, das all den grafischen Schrott bietet, den man auf einer Benutzeroberfläche erwartet: Menüs, Schaltflächen, Rollbalken und so weiter. Wie bei allem anderen unter UNIX (wovon Finux eine Variante darstellt), gibt es Unmengen von Optionen, die zu erforschen nur junge, einsame oder besessene Leute die nötige Zeit und Geduld besitzen. Randy ist in verschiedenen Phasen seines Lebens alles davon gewesen und kennt sich mit diesen Optionen