Cryptonomicon
oder sonst etwas aus dem Schatten geflitzt und saust mit ungeheurer Geschwindigkeit fast senkrecht auf das Wasser herab. Amy gibt ein seltsames Ächzen von sich. Randy dreht sich gerade zu ihr um, als oben ein ungeheurer, hämmernder Lärm losbricht. Er blickt auf und sieht ein Flammenbüschel aus dem geschlitzten Mündungsfeuerdämpfer von John Waynes Sturmgewehr zucken. Anscheinend schießt er genau über den Fluss. Auch Jackie Woo gibt ein paar Schüsse ab. Randy, der sich in Hockstellung befindet, verliert von all der Kopfdreherei das Gleichgewicht und muss sich mit einer Hand abstützen, die glücklicherweise nicht auf einer Mine landet. Er schaut zu Amy hinüber; nur ihr Kopf und ihre Schultern ragen aus dem Wasser und sie starrt ins Leere, mit einem Ausdruck in den Augen, der Randy überhaupt nicht gefällt. Er richtet sich auf und macht einen Schritt auf sie zu.
»Randy, lassen Sie das«, sagt Doug Shaftoe. Doug hat bereits den Schatten erreicht und ist nur noch wenige Schritte von dem Pflanzenvorhang entfernt, der über das Flussufer herabhängt.
Nicht weit von Amys Gesicht entfernt schwimmt ein Stück Treibgut an der Wasseroberfläche, aber die Strömung bewegt es nicht weiter. Es bewegt sich, wenn Amy sich bewegt. Randy macht erneut einen Schritt auf sie zu und setzt den Fuß auf einen großen, mit Schlick überzogenen Felsbrocken, dessen Oberseite er durch das milchige Wasser ausmachen kann. Auf diesen Brocken hockt er sich wie ein Vogel und konzentriert sich dann wieder auf Amy, die ungefähr fünf Meter von ihm entfernt ist. John Wayne feuert eine Serie von Einzelschüssen ab. Randy erkennt, dass das Stück Treibgut aus Federn besteht, die am hinteren Ende eines dünnen Stabes befestigt sind.
»Amy ist von einem Pfeil getroffen worden«, sagt Randy.
»Na prima«, knurrt Doug.
»Amy, wo sind Sie getroffen worden?«, fragt Enoch Root.
Amy kann offenbar noch immer nicht reden. Indem sie nur das linke Bein belastet, steht sie unbeholfen auf und dabei hebt sich auch der Pfeil aus dem Wasser und es stellt sich heraus, dass er genau in der Mitte ihres rechten Oberschenkels steckt. Die Wunde ist zunächst sauber gewaschen, doch dann quillt um den Pfeilschaft herum Blut hervor und läuft in sich verzweigenden Rinnsalen an ihrem Bein hinunter.
Doug ist in einem hektischen Austausch von Handsignalen mit den Männern oben begriffen. »Wisst ihr was?«, flüstert er. »Das ist eine dieser klassischen Geschichten, wo du eigentlich nur bei einem schlichten Aufklärungseinsatz bist und dich auf einmal mitten in der Schlacht wiederfindest.«
Amy packt den Schaft des Pfeils mit beiden Händen und versucht ihn abzubrechen, aber das Holz ist grün und lässt sich nicht sauber knicken. »Ich habe mein Messer irgendwo fallen lassen«, sagt sie. Ihre Stimme klingt ruhig und das kostet sie einige Anstrengung. »Ich glaube, solange der Schmerz nicht schlimmer wird, kann ich es eine Weile aushalten«, sagt sie. »Aber schön finde ich es wirklich nicht.«
In der Nähe von Amy, ungefähr zwei Meter von ihm selbst entfernt, kann Randy knapp unter der Oberfläche einen weiteren schlicküberzogenen Felsbrocken erkennen. Er fasst sich ein Herz und springt darauf zu. Aber der Brocken kippt unter dem Aufprall seines Fußes, sodass er der Länge nach in das Flussbett schlägt. Als er sich aufsetzt und den Felsbrocken genauer betrachtet, erweist sich dieser als flacher, zylindrischer Gegenstand, der ungefähr den gleichen Durchmesser wie ein großer Teller hat und mehrere Zentimeter dick ist.
»Randy, was Sie da vor sich haben, ist eine japanische Panzermine«, sagt Doug. »Aufgrund ihres Alters ist sie höchst instabil und sie enthält genügend Sprengstoff, um praktisch jeden in unserer kleinen Gruppe hier zu köpfen.Wenn Sie also ein Weilchen aufhören könnten, sich wie ein komplettes Arschloch aufzuführen, würden wir das alle sehr zu schätzen wissen.«
Amy streckt ihm einen Handteller entgegen. »Du brauchst mir hier nichts zu beweisen«, sagt sie. »Wenn du mir eine Liebeserklärung machen willst, dann schick mir verdammt noch mal eine Valentinskarte.«
»Ich liebe dich«, sagt Randy. »Ich will, dass es dir gut geht. Ich will, dass du mich heiratest.«
»Nein, wie romantisch«, sagt Amy sarkastisch und fängt dann zu weinen an.
»Herr des Himmels«, sagt Doug Shaftoe. »Könnt ihr das nicht später machen? Reißt euch gefälligst zusammen! Wer diesen Pfeil abgeschossen hat, ist längst weg. Die Huks sind
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