Crystall (German Edition)
eigene Achse zu drehen. Sie genoss die neue Luft in tiefen Zügen und blinzelte lächelnd in die Umgebung. Auf Grund der ringsum aufgebauten Wagen konnte sie lediglich erkennen, dass sie sich auf einer Waldlichtung befanden. Allerdings musste dieser Wald relativ klein sein, denn die Sonne drang mit ganzer Pracht auf die Lichtung. Brennend in einem wolkenlosen, blauen Himmelsmeer, gab sie eine angenehme Wärme ab. Die Strahlen kitzelten ihre Haut mit sanften Berührungen und ließen wieder Leben in ihre Glieder fahren. Mandy fühlte sich von neuer Energie umströmt. Sie genoss diesen Augenblick, denn es war erst Mittag. Die Pracht der Sonne versprach einen heißen Nachmittag.
Trotz der gut zweihundert Mitreisenden blieb das Lager nicht einmal halb gefüllt. Niemand musste sich irgendwelchen Arbeiten verschreiben, denn die große Rast war erst auf die Nacht vereinbart. Deshalb tobten die meisten fast wie Kinder umher oder suchten die nahe Umgebung ab, solange es ihnen möglich war. Vielleicht würden sie bereits morgen Abend keine Gelegenheit mehr finden, sollten sie tatsächlich feindliches Terrain erreichen. Dann würden sie ohnehin innerhalb der Karawane bleiben müssen.
Mandy lief etwas auf und ab, lächelte fast unentwegt und lauschte den freudigen Gesprächen. Nach Tagen der Ruhe oder allenfalls bitteren Worte, war es nur gut, wieder einmal lustigen und angenehmen Gesprächen zu folgen.
Dann hörte sie die raschen Schritte.
Mandy drehte sich in die Richtung, aus der die Klänge kamen und legte eine Hand wie ein Sonnenschutzdach über die Augen.
Nawarhon kam herbei. Er lief so schnell, als befürchte er, es könne in zwei Minuten weiter gehen. Als er Mandy erkannte, lächelte er und beschleunigte noch ein gutes Stück.
„Hast du mich denn so vermisst?“, grinste Mandy, als der Prinz sie endlich erreicht hatte.
„Wie?“ Nawarhon legte die Stirn in Falten, schwieg einen Moment und zuckte dann unschlüssig mit den Schultern. „Jedenfalls ist es schön, dich mal wiederzusehen. Ist ´ne Ewigkeit her, was?“
„Kann man sagen“, bestätigte Mandy. „Hübsche Karawane hast du da.“
Der junge Prinz schien ihre Worte richtig zu deuten, denn er grinste verlegen. „Ich weiß, jede Hundertschar Krieger würde uns auslachen. Ich bin schon froh, dass so viele mitgekommen sind.“
„Auf jeden Fall wird man uns unterschätzen, das ist immerhin etwas“, versetzte Mandy.
Nawarhon blinzelte erschrocken. „He, so schlecht ist die Sache nun auch wieder nicht. Aber seit wann interessierst du dich überhaupt für Kriegstaktiken?“
„Seit ich muss?“ Mandy taten ihre Worte bereits leid, noch bevor sie ganz ausgesprochen waren. Sie las die entsprechende Wirkung in Nawarhons Augen. Hastig wechselte sie das Thema. „Wie stellst du dir eigentlich die nächsten Tage vor?“
Nawarhon seufzte still. „Jeden Tag überlege ich aufs Neue. Sag es nicht, Mandy ... keine gute Taktik, ich weiß. Das einzige, was wir tun können, ist, die restlichen Kristalle zu finden. Zuerst müssen wir wohl oder übel die schwarze Brut besiegen, um an ihren zu gelangen. Der fünfte Kristall befindet sich ohnehin in den heiligen Bergen. Aber wie genau das alles aussehen soll...?“
Mandy spürte Mitleid für die aufkeimende Hilflosigkeit des Jungen. „Wie lange wird es dauern?“
„In spätestens zwei Tagen dürften wir wohl auf die Armee treffen, bis dahin muss ich mir etwas einfallen lassen. Alles andere steht in den Sternen.“
„Und die Ritter, die bei dir sind, haben die keine Ideen?“
Nawarhon schüttelte den Kopf. „Leider nein.“
Das war schlecht. Das war sogar außerordentlich schlecht. „Ich will dir ja nicht den Mut nehmen, aber mit diesen Leuten hier haben wir keine Chance, nicht die geringste.“
„Ruh dich aus Mandy, in einer Stunde brechen wir wieder auf. Und übrigens, vielen Dank für deine Hilfe. Du hast Kopf und Kragen riskiert, um die beiden Kristalle zu bekommen. Ich werde das nicht vergessen.“
Das war ganz und gar nicht die Reaktion, die sich Mandy erhofft hatte, dennoch lächelte sie dankbar.
Nawarhon machte Anstalten zu gehen, verharrte aber noch einmal in der Bewegung. „Wenn ich deinen Mut würdigen könnte, würde ich es tun. So aber kann ich es nur sagen, du bist tausend Mal mehr wert als diese Ritter an meiner Seite.“ Nawarhon lächelte und ging schließlich davon.
Fast verlegen starrte Mandy dem Prinzen geraume Weile nach. Was er gesagt hatte, berührte sie zu tiefst. Zudem trieb es
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