Crystall (German Edition)
Zerstörungsfähigkeit gutartig war. Aber gefährlich. Als Mandy nur sachte mit einem Fingernagel über die Klinge fuhr, spürte sie deren Schärfe. Die sanfte Berührung hatte sogar einen winzigen Kratzer auf ihrem Daumennagel verursacht.
„Was tust du denn hier?“
Erschrocken zog Mandy ihre Hand zurück und ließ die Gel Dyka in eine Tasche fliegen. Erst jetzt sah sie auf und erkannte nur wenige Schritte vor ihr die Frau, die in ihrem Wagen gesessen hatte.
Wieso hatte sie keine Schritte gehört?
„Ich wollte dich nicht erschrecken“, fuhr die Frau fort und zauberte ein unendlich warmes Lächeln.
„Schon gut ... ich habe nicht aufgepasst“, stammelte Mandy und starrte die Frau in ihrem schwer zu schätzenden Alter zwischen vierzig und fünfzig ungebrochen und verwirrt an. Die Wahrheit wäre gewesen, dass sie das Gefühl hatte, die Frau müsse aus dem Nichts erschienen sein. Dann aber lächelte Mandy und wurde wieder locker. Sie war nur ein Mensch, es war keine Schande, überrascht zu werden. „Was tun Sie hier so alleine?“
„Was tust du alleine hier?“, fragte die Frau stattdessen. Dann entspannten sich ihre Züge. „Und lass den Quatsch mit den Titeln, solange ich keine Königin werde genügt R´Ryah. Freunde nennen mich Ry, ist einfacher.“ Die Frau lachte leise.
„Nun ... R´Ryah ... ich wollte nur ein wenig meine Gedanken ordnen und weg von der Karawane mit seinen harten Sitzen“, erklärte Mandy mit reichlicher Verzögerung. Zumindest aber war sie froh, dass die Frau von dem Dolch nichts bemerkt hatte. Sie hatte das Gefühl, dass es besser für sie war, wenn sie dieses Geheimnis für sich behielt.
Ry lachte genüsslich. „Du hast Recht. Übrigens, in wenigen Minuten geht es weiter und lass dich am besten mal bei der Karawane sehen, sonst schickt Nawarhon noch einen Suchtrupp nach dir.“
Auch Mandy musste nun lachen. „Gut, dann werde ich das besser tun. Und was hast du jetzt noch vor?“
„Ich werde ein kleines Bad nehmen.“
Mandy riss erschrocken die Augen auf. „In diesem Tümpel willst du...“
„Welcher Tümpel?“ Ohne Mandys Reaktion abzuwarten, ging sie an ihr vorbei, hinunter zum Fluss.
„Na, der...“ Mandy verstummte, als sie sich zum Wasser hinab umsah. Aus dem verdreckten Wasserloch mit den Krokodilen war ein blauer und klarer Fluss geworden. Mandy schwieg und seufzte nur. Wie hatte sie auch vergessen können, dass diese Welt alles andere als normal war.
R´Ryah machte sich nicht einmal die Mühe, ein Versteck zu suchen. Sie ließ einfach vor dem Wasser ihr Kleid fallen und tastete sich in das kalte Nass vor.
Mandy sah ihr einen Moment überrascht dabei zu. Die Frau, trotz ihrer fast fünfzig Jahre, hatte einen schönen Körper, um den sie die meisten jungen Frauen sicher beneiden würden. Jetzt fehlten nur noch ein paar Männer, die auch rein zufällig – sicher hatte Nawarhon nach ihr suchen lassen – hier auftauchten und Ry nackt sahen. Die Frau hätte unter Garantie einige Verehrer noch heute vor der Tür stehen gehabt.
Mandy fuhr herum, als Ry begann, von einem Ufer zum anderen zu schwimmen, und ging durch das kleine Wäldchen zurück zur Karawane, bevor der Prinz auf die Idee kommen würde, Suchhunde auszusetzen.
Das notdürftig angerichtete Lager hatte sich gewandelt. Mandy musste sie Zeit wohl vollkommen verpasst und unterschätzt haben. Die Rast war verstrichen, alle ausgeräumten Gegenstände waren bereits wieder verpackt und die Wagen standen in einer Reihe, bereit zum Aufbrechen. Die Tiere an den Gespannen traten schon nervös auf der Stelle.
Als Mandy die ersten Wagen erreichte, sprang irgendwo ein Schatten vom Kutschbock und näherte sich ihr. Genauer genommen, jemand raste auf sie zu.
„Nawarhon, ich...“
Der Prinz stürmte ihr bis zum allerletzten Schritt entgegen und einen Augenblick hatte es den Anschein, als würde er sie glatt über den Haufen rennen. Doch Nawarhon blieb in einer einzigen, seltsam wirkenden Bewegung stehen. „Mandy, da bist du ja. Du wolltest doch nicht schon voraus eilen?“
„Nicht, dass ich wüsste“, gab Mandy gelassen zurück. Dann stahl sich ein Anflug von einem Grinsen auf ihre Lippen. „Hast du dir Sorgen gemacht?“
„Das ist nicht komisch.“ Aus seinem eigentlichen Zornesausbruch wurde ein vergebliches Krächzen und führte lediglich dazu, dass Mandy noch breiter grinste.
Bevor sie etwas erwidern konnte, vernahm sie ein Bellen von der Seite. Erschrocken wand sie den Kopf um und sah den Hund auf
Weitere Kostenlose Bücher