Crystall (German Edition)
behauptete Kaija. „Aus der Ferne und in Gedanken lässt sich vieles sagen, wir können uns die Worte zurecht legen. Aber nicht jedes Wesen ist spontan. Doch ich glaube, dass so viele Antworten nicht mehr nötig sind, du weißt sie längst.“
Wenn das stimmte , dachte Mandy überrascht, dann mussten ihr diese Antworten aber nicht bewusst sein.
„Sie sind in deinem Herzen“, erriet Kaija.
Aber Gefühle und verborgene Waffen im Herzen waren keine Hilfe gegen böse Dämonen. Plötzlich musste sie wieder an die seltsame Begegnung in Nadju denken, an den Höllenmagier, der überall und nirgends sein konnte. Sie wusste noch immer nicht, welche Rolle dieser Dämon spielte, abgesehen davon, dass er ihr gefährlich werden konnte.
„Ich würde dir gerne helfen“, bot sich Kaija zum zweiten Mal an.
Mandy runzelte unmerklich die Stirn. Seltsam, etwas war hier merkwürdig. Kaija vermochte all ihre Gedanken zu lesen, warum nicht den letzten? Weshalb reagierte sie nicht auf diesen fremden Dämon, hielt sie etwas zurück? „Können Sie denn nicht irgendetwas in der Zukunft erkennen, einen Rat geben oder mich begleiten? Mit Ihnen an der Seite würde ich mich vielleicht nicht so hilflos fühlen und nicht so viele Fehler begehen.“
„Aber Mädchen, du hast überhaupt nichts falsch gemacht“, widersprach Kaija mit sanfter Stimme. „Außerdem bin ich zu alt für Reisen und wäre nur eine Last. Aber vielleicht kann ich dir etwas geben, das dir einmal nützlich sein mag.“ Kaija kramte in einer ihrer Manteltaschen und zog schließlich etwas hervor, was die Alte einen Moment in der geschlossenen Hand verborgen hielt. Dramatisch langsam öffnete sie die Faust und streckte sie Mandy entgegen.
„Was ist das?“ Sie starrte verblüfft auf den kleinen Gegenstand. Es war nichts Spektakuläres, wie Mandy angenommen hatte, sondern bei dem Objekt handelte es sich um einen silberfunkelnden Dolch in einer Ausgabe, wie ihn Mandy noch nie kleiner gesehen hatte. Er war nicht größer als eine Nagelfeile.
„Es ist eine Waffe“, erklärte Kaija, nachdem sie der Meinung war, Mandy hätte genug beobachtet. „Eine magische, um genau zu sein. Sie kann dir helfen, Gut und Böse auseinander zu halten, denn in Gegenwart eines Wesens mit magischen und bösen Kräften beginnt es zu glühen. Das kann sehr von Nutzen sein. Außerdem kannst du es einmal als wahre Waffe gebrauchen. Schleudere es auf den Feind und es wird ein Feuer entfachen, das so gut wie jeden Gegner vernichtet, ob nun Zauberer oder einfacher Krieger. Bis zu welchen Grenzen der heilige Dolch wirklich Wirkung hat, konnte noch niemand überprüfen. Er ist ein wertvoller Freund, aber wähle gut und schleudere ihn nicht unüberlegt, denn seine Kraft entfaltet sich nur einmal. Nach diesem einen Versuch wird er unbrauchbar, merke dir das gut.“
„Unglaublich“, raunte Mandy ehrfurchtsvoll und nahm den kleinen Dolch in die Hand.
„Er gehört zu den Legenden unserer Welt. Bewahre die Gel Dyka aufmerksam. In bösen Händen ist sie eine gefährliche Waffe.“
„Ich danke Ihnen, wie...“ Mandy brach ab, als sie von der Waffe zu Kaija aufsehen wollte. Die Alte war von einem Atemzug auf den anderen verschwunden. Überrascht starrte sie dort ins Leere, wo die Frau gerade noch gesessen hatte. Eine komische Seherin.
Mandy fühlte sich beobachtet. Vorsichtig drehte sie den Kopf und blickte zum Waldrand hoch. Sie war nicht einmal überrascht, als sie den Hund aus Nadju dort stehen sah. Das Tier starrte sie aus treuen Augen an und ließ die Zunge hechelnd heraus hängen. Dann machte es kehrt und war schon bald im Schatten des Waldes verschwunden.
Mandy stand auf und sah noch einen Moment gestochen zum Waldrand. Also hatte sie der Hund doch verfolgt. Seltsam, sie spürte gar keine Angst vor dem Tier, wie noch bei ihrer ersten Begegnung in der Orakelstadt. Im Gegenteil, das Tier begann immer deutlicher ein Gefühl von Sicherheit zu erzeugen.
Sie tat den Gedanken mit einem Lächeln und Kopfschütteln ab, lief drei Schritte den seichten Hang hinauf und blieb wieder stehen. Noch einmal warf sie einen Blick auf die geheimnisvolle Gel Dyka . Der Dolch blinkte und blitzte in seinem grellen Silberstich, Mandy hätte sich darin spiegeln können, wäre er nicht so winzig gewesen. Er nahm gerade einmal den Durchmesser ihrer Handfläche ein. Dennoch strahlte er eine Kraft und Energie aus, die Mandy zu neuem Leben erweckte. Sie spürte, dass seine Magie trotz der vermutlichen
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