Crystall (German Edition)
herum. Die Bestie erreichte sie nun und der Schatten, den sie warf, wuchs rasend schnell an, so blitzartig wie eine plötzliche Flut.
Fast wäre Mandy vor Schrecken erstarrt, als der Eistitan anrauschte und nicht eine Sekunde daran dachte, abzubremsen. Er würde kurzen Prozess machen.
Schreie zerrissen den üblichen Lärm und Mandy wusste nicht alle einzuordnen. Einige von ihren Freunden mussten gesprungen sein, andere brüllten in nackter Angst vor dem Monster.
Selbst der Drache stieß einen spitzen Laut aus, mobilisierte seine letzten, von Todesangst getriebenen Kräfte, doch er konnte nichts tun. Sein Tempozuwachs musste für die Bestie nahezu lächerlich sein.
„Mandy, spring!“
„Runter hier!“
„Oh ihr Götter, was ist das nur ... aaah!“
Die Rufe und Schreie erklangen in einem Wirrwarr ihrer Gedanken. Jede Logik war dahin, sie war gefangen in einem schrecklichen Bann, als hielten sie starke und kalte Hände einfach fest.
Ein Alptraum, ja, es musste einfach ein Alptraum sein und sie wollte endlich erwachen.
Die Bestie öffnete ihr gewaltiges Maul, kristalline, machetenlange Zähne blitzten darin auf.
Mandy wusste nicht mehr, wie um sie herum geschah. Nur ihr Überlebenswille lenkte sie jetzt noch.
Dann ließ sie sich rückwärts fallen ...
Das Mädchen verlor alle Orientierung. Sie wusste nicht, wer von ihren Freunden gesprungen war, wer am Leben und ob der Drache sich längst im Magen der Kreatur befand.
Aber das spielte keine Rolle, nicht in diesem Augenblick. Nichts war momentan wirklich von Bedeutung, auch ihr eigenes Leben nicht. Im Grunde dachte sie keinen einzigen Gedanken. Sie hätte ihre letzten Empfindungen erwartet, Bilder, die sie mit in den Tod nehmen würde. Vergebens. Ihre Gedanken wurden von einem schwarzen Schleier umnebelt und sie fühlte nichts als das Kribbeln im Magen.
Aber für mehr blieb auch gar keine Zeit. Der Sturz dauerte in Wahrheit höchstens ein paar Sekunden, auch wenn es ihr wie eine Ewigkeit vorkam. Der Wind umstreifte ihren Kopf, ihr Körper war für den Bruchteil eines Herzschlags leicht wie eine Feder.
Fliegen.
Und schon schlug sie auf. Ihre Augen waren verschlossen, ihre Haltung völlig verkrampft und selbst sie, ein gewöhnliches Menschenkind hatte ähnliche Situation bereits weitaus besser gemeistert. Sie hätte ihren Kopf schützen sollen, sich abrollen oder etwas in der Art, nein, sie ließ ihren Körper hilflos aufschlagen.
Aber sie hatten ein geradezu unverschämtes Glück. Sie prallte auf den Oberam und rollte von ganz allein über die Schulter. Sie kullerte noch zwei Meter über den Boden, bevor sie stöhnend auf dem Rücken liegen blieb.
Ein hämmernder Schmerz pulsierte in ihrer Schulter, ein Gefühl, als versuche jemand den Arm mit bloßen Händen herauszuzerren.
Der Schmerz wurde jedoch für Augenblicke verdrängt, denn ein schwarzer Schlund eröffnete sich ihrem Geist und drohte, sie zu verschlingen.
Mandy wälzte den Kopf stöhnend umher, krallte die Finger in den harten Boden und biss die Zähne knirschend aufeinander. Verzweifelt kämpfte sie gegen die Besinnungslosigkeit, denn wenn sie nun nachgab, wäre sie eine leichte Beute für den Dämon. Sie hatte keinen Zweifel, dass der sie alle suchen und finden würde.
Jedoch, eine Ohnmacht zurückzudrängen, war keine alltägliche Übung und irgendwie erschien ihr es so, als ob sie nur zusehen konnte und nicht selbst eingreifen. Dieser Kampf war nicht mit Worten zu beschreiben, er fand auf einer völlig anderen Ebene des Bewusstseins statt, in den tiefsten Abgründen des Geistes.
Wahrscheinlich war sie sogar für Sekunden bewusstlos gewesen, doch sie erholte sich wieder. Sehr langsam klärte sich ihr vernebelter Blick, das Pochen auf den Schläfen verging und übrig blieb letztlich nur der Schmerz in ihrer Schulter. Sie musste ausgerenkt sein. Allerdings, der direkten Gefahr kurzzeitig entwichen, prasselten nun alle Gedanken und Sorgen auf sie herein und verdrängten abermals den beißenden Schmerz, als steche jemand mit glühenden Nadeln auf sie ein.
Vorsichtig erhob sich Mandy aus ihrer unbequemen Lage. Allerdings nicht langsam genug, denn ein neuerlicher Schwindel befiel sie, verdüsterte einen Moment ihren Blick und ließ sie unsanft gegen einen kristallenen Berg taumeln. Stützend lehnte sie an der gläsernen Wand, spürte, wie ihre Knie zitterten und atmete die Luft mit gierigen Zügen ein. Fast dieselbe Spanne verstrich, ehe Mandy wieder klar sehen und denken konnte. Noch immer
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