Crystall (German Edition)
von den Kriegern da unten. Sie überblickte den gesamten Vorhof und darüber hinaus, bis zu annähernd hundert Metern. Sie würde jeden Angriff keine Sekunde später erkennen, als die Späher da unten. Vielleicht sah sie sogar noch mehr.
Die Krieger tuschelten noch immer mit einander, genaueres verstand sie nicht. Aber zumindest erahnte sie, dass der Trommelschlag entweder falscher Alarm war oder ein anderes Signal bedeutete. Zumindest stand jeder auf seinem Posten, die meisten unterhielten sich sogar. Von einem Angriff war noch nichts zu sehen.
Zwar wusste Mandy, dass sie der bevorstehenden Schlacht nichts entgegen zu setzen hatte und sie wahrscheinlich nur im Weg herum stehen würde, trotzdem war sie sauer, nicht dabei sein zu dürfen. Aber der Sprung aus ihrem Fenster könnte ihr allerhöchstens sämtliche Knochen brechen und zudem naiv da stehen lassen. Aber wer weiß, vielleicht würde die Möglichkeit kommen, wo sie doch etwas tun konnte. Ihr Blickwinkel konnte ganz sicher kein Nachteil sein.
Da noch nichts geschah, entfernte sich das Mädchen wieder vom Fenster und schlenderte mit auf dem Rücken zusammen geschlagenen Armen durch ihr Zimmer und vertrieb sich die Zeit. Zunächst nahm sie noch eine Kleinigkeit von dem Wasser und dem Laib Brot, denn sie hatte das unbestimmte Gefühl, als könne es für die nächste Zeit das letzte sein. Dann musterte sie ihre herbei geschafften Waffen an. Dafür, dass sie alle für ein kleines Mädchen hielten, die man beschützen musste, hatten sie eine ganze Menge her gebracht. Sie war ausgerüstet mit einer Armbrust, dazu schätzungsweise zehn Pfeile. Sie glaubte sogar, nicht allzu dumm dazustehen, denn von großen Festen und Schießbuden her brachte sie einige Erfahrung mit. Sie wusste damit umzugehen, das Treffen würde schon nicht schwer werden. Zusätzlich lag da noch ein kleiner Holzschild für den Notfall und zu guter Letzt ihr Liebling – das Schwert! Mandy beäugte es mit respektvoller Demut und Abstand. Doch schließlich wurde ihr die Warterei zu langweilig. Die schnappte sich das Monstrum und machte ein paar Übungsschläge. Zwar fuchtelte sie damit herum, als hätte sie ein Springseil in der Hand, aber andererseits waren ihre seltsamen Hiebe für einen Feind unberechenbar und damit gefährlich.
Nach zehn Minuten gab sie ihre Zirkusnummer auf, ließ das Schwert fallen und sich auf das Bett. Dort lag sie nun da und verschnaufte. Sie fragte sich, wie man wohl mit so einem Tonnengerät je kämpfen konnte.
Am Ende hatte sie das Gefühl, es wären nur wenige Sekunden verstrichen, aber Irrtum. Als sie zum Fenster hinaus spähte, war bereits Morgengrauen angebrochen. Nicht mehr lange und die Sonne würde hervor lugen. Trotzdem brannten die Fackeln nach wie vor. Sie wusste ja, warum.
So hing sie noch einmal eine halbe Stunde aus dem Fenster, bis es schließlich los zu gehen schien. Einer ihrer Kämpfer kam stolpernd auf die Festung zu gerannt. Er sah aus wie ein völlig Betrunkener. Hechelnd stürmte er auf den Burghof und verkündete lauthals, man solle das Tor schließen. Als das passé war, berichtete die Echse – sogar Mandy konnte es verstehen – dass die gesamte Vorhut im Anmarsch war.
Im selben Moment, in dem er das letzte Wort aussprach, ging die Hektik los. Keine Panik, dafür waren sie Krieger genug, aber regelrechtes Toben. Die Kämpfer platzierten sich, brachten die letzten Frauen und Kinder ins Innere. Restliche Vorbereitungen wurden getroffen, dann kehrte Stille ein. Die Schützen waren bereit, mit gespannten Bogen, die Fackeln dicht neben sich. Die Zweikämpfer auf dem Hof blieben gelassener.
Mandy ließ ihren Blick zur Seite gleiten. Dort erkannte sie auf einem gut gestützten, breiten Sims den König und seinen Sohn. Ihre Gesichter wirkten angespannt. Nawarhon war sogar sehr nervös, der Satyr blieb ruhig, bis auf ein lautes Kommando, das er flüchtig gab. Natürlich brüllte er, dass erst auf seinen Befehl hin der Angriff gestartet würde. Noch war dafür kein Grund.
Das Mädchen wand den Blick wieder nach vorn. Sie war ebenso angespannt wie alle anderen wohl auch. Das Schlimme war ja, dass noch nichts geschah. Der gefährlichste Feind war der, den man nicht sehen konnte. Es machte sie nervös, das Warten. Deshalb tätschelte sie an ihren Waffen herum, die sie neben sich vor das Fenster gelegt hatte.
Dann regte sich etwas. Die ersten Laute von Pferdehufen waren zu hören. Die trampelnden Schritte kamen deutlich näher und auf Grund des
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