Crystall (German Edition)
sprachen kein Wort, sahen sie nicht einmal an.
Mandy ersparte sich jeden Kommentar, das hatte noch Zeit. Stattdessen blickte sie in den Hintergrund. Wieder einmal fiel ihr auf, welch Bilderbuchwelt dieses Reich doch war, mit seinen gewaltigen, kristallschimmernden Bergen, den tiefhängenden Wolken darüber. Zudem überzogen von einem strahlend blauen Himmel, in dem eine Sonne glühte, die besser nicht sein konnte. Sie gab eine wunderbare Wärme ab, wie zur Mittagszeit. Sie strahlte intensiv, doch nur gerade so heftig, dass die Wärme auf der Haut kitzelte, auf angenehme Weise.
Und darunter? Ein grüner, geschmeidiger Teppich, der aus weiter Ferne so frisch und saftig aussah, dass es jedem Weidetier das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen musste. Es war fast ungewöhnlich oder gar absurd, doch es stimmte.
Ohne Einfluss kehrten mit einem Male die vergangenen Bilder zurück. Die kleinen Pixel, die zusammenhanglos in ihrem Kopf herum geschwirrt waren, fügten sich zu einem Ganzen. Plötzlich konnte sie die verrückte Reise vor den Augen sehen, ja fast ergreifen. Teleportieren . Sie wusste mit dem Begriff nicht wirklich etwas anzufangen, doch er war ihre einzige Erklärung, die ihr auf Anhieb einfiel. Sie erinnerte sich wieder, was geschehen war. Trotz der gefrorenen Sekunde, die das Ganze gedauert hatte, war es ihr doch viel länger vorgekommen.
Mandy suchte in Gedanken nach Worten. Es war schwer zu beschreiben und kein Stück so, wie sie es aus dem Fernsehen kannte, eine Reise durch einen Wasserkanal, in dem man atmen konnte. Nein, es war völlig anders gewesen und sie beschlich dabei das Gefühl, eine Art Engel zu sein. Der Boden war plötzlich unter ihren Füßen weg gewesen und sie hatte geglaubt, durch die Wolken zu schweben, unter einem Druck, der sie anfangs zu zerreißen drohte, jedoch mit der Zeit erträglich wurde. Weißes Licht blitzte in ihre Augen, dann war es Dunkel. Ein Schwarz, wie es nicht einmal die Nacht erschaffen konnte, in dem sie nichts sah, selbst wenn es Millimeter vor ihr gestanden hätte. Dies war die Sekunde, die ewig zu dauern schien, als hätte jemand die Zeit angehalten. So musste es sein, denn auf einmal war ihr Körper und jegliches Gefühlsvermögen verschwunden gewesen, einfach nicht mehr da, als wäre sie unsichtbar. Sie hatte mit Händen nach ihrem Körper greifen wollen, aber genauso gut wäre es ihr ergangen, würde sie Nebel einfangen wollen. Sie hatte sich für eine erschreckende Sekunde einfach aufgelöst.
Dann kam das Licht. Mandy konnte ihr Wesen wieder spüren und stand dann dort, wo sie noch immer wie festgenagelt eine Furche in die Wiese trat.
Mandy atmete tief durch, als hätte sie nicht nur geistig, sondern auch körperlich diese Reise erneut durchgemacht. So war es gewesen, seltsam, doch wahr. Sie hätte es niemals für möglich gehalten, würde sie es nicht am eigenen Leib verspürt haben. Es war ein Gefühl der Unwirklichkeit gewesen, wie ein unsterblicher Engel.
Eine Hand berührte ihre Schulter. Mandy schrak unter dem Griff zusammen und trat einen Schritt zurück. Sie starrte verstört in Lyhmas Augen und beruhigte sich wieder. Ihr Herz schlug schnell und heftig, als hätte man sie aus einem langen Tagtraum gerissen.
„Kommst du klar?“, fragte sie lakonisch.
Nur Mandy wusste, wie genau die Worte gemeint waren. Sie nickte vorsichtig, dennoch kamen die Gedanken unbeherrscht wieder hoch. Fast gelogen bestätigte sie ihr Nicken nachdrücklich. „Es geht schon, danke.“
Überhaupt nichts geht , stand es Lyhma ins Gesicht geschrieben, sprach es jedoch nicht laut aus. „Es war eine gute Entscheidung und wir danken dafür.“ Sie lächelte und ging zu den anderen.
Mandy hatte es verdrängen wollen, aber im Grunde nicht an den Erfolg geglaubt. Es war ja nicht so, dass sie niemals nach Hause käme, trotzdem war da ein stechender Schmerz in ihrer Kehle und unbemerkt begann ihr Puls zu rasen. Ein kalter Schauer schoss ihren Körper hinauf und sie schüttelte sich. War ihre Entscheidung wirklich richtig gewesen? Natürlich war sie das, eine ganze Welt brauchte sie. Darüber hinaus war sie jedoch nicht mehr als ein Mensch und es schmerzte sie, eine Chance verpasst zu haben. Noch war es im Bereich des Erträglichen, denn in ihrer Welt war es noch immer tiefe Nacht, ihre Mutter würde erst in drei Stunden aufstehen, nach der Rechnung hier sogar erst in ein paar Wochen. Und dann? Was war, wenn es länger dauern würde?
Mandy kämpfte diesen Gedanken nieder. Es war
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