Crystall (German Edition)
verschwanden Shou und die Frau in Richtung des Waldes. Trotz der großen Entfernung waren sie schon nach Minuten nur noch ein schemenhafter Schatten.
„Alles hängt nun von dir ab, Mandy.“
„Ich gebe mir Mühe.“
Gemeinsam liefen sie die Böschung hinab. Mit jedem Schritt schlug eine neue Ladung Spannung und zugleich Furcht über ihnen zusammen. Sie wussten ja, wenn sie nun versagten, war alles verloren. Ohne den dritten Kristall war die schwarze Armee nicht zu besiegen und das Gleichgewicht herzustellen.
Der Respekt vor dem Heiligtum von Nectar verursachte, dass jeder ihrer Schritte allmählich langsamer wurde, als bekämen sie eine Tonnenladung Blei auf die Schultern. All das verhinderte aber nicht, dass sie letztendlich dort ankamen.
„Du bist sicher?“
„Ja“, bestätigte Mandy noch einmal. Mit klopfendem Herzen betrat sie schließlich noch vor Maxot den geheimnisvollen Tempel.
Wenn sie draußen noch gedacht hatte, der Tempel wäre der neuesten Zeit entsprungen, dann wurde sie nun enttäuscht. Es sollte nicht heißen, dass er hässlich war, ganz im Gegenteil. Aber er war auch keine hypermoderne HighTechAnlage. Das Mauerwerk war entstanden aus weißen, manchmal grauen Ziegelsteinen. Sie waren nicht direkt schmutzig, wirkten jedoch nicht glänzend silbrig, sondern eher verdunkelt. Trotzdem war es ausreichend hell in dem Tempel, als schiene die Sonne unmittelbar hinein. Doch es gab keine Öffnungen; eine geheimnisvolle Lichtquelle musste sich darin ausgedehnt haben, deren Ursprung nicht zu erraten war.
Mandy ließ den Blick weiter wandern, entdeckte aber nicht viel mehr. Der Boden war glatt, wie gebohnert und am Ende eines langen Ganges führte eine schmale Treppe in die Höhe. Weiter stand nichts Besonderes herum. Der Raum wirkte kahl und war sogar etwas kühl.
„Kommst du klar?“
Das Mädchen sah den Troll einen Moment irritiert an, als müsse sie erst den Sinn der Worte ergründen. „Ja, es ist nur alles so ungewohnt für mich.“
„Das ist selbstverständlich“, beruhigte sie Maxot. „Ich werde dich ein wenig aufklären.“ Der Troll ging los und marschierte furchtlos auf die Treppe zu.
Mandy zögerte nicht lange und folgte ihm. Dieser Raum machte nicht den Eindruck, als könne eine Gefahr darin lauern. Es sei denn, ihre Gegner konnten durch Wände gehen. Aber selbst in einer Welt wie dieser bezweifelte sie einfach, dass es einen Weg in der vierten Dimension gab. „Was gibt es denn so wichtiges zu erzählen?“
Der Troll stieg die ersten Stufen der Treppe hinauf. Sie war sehr schmal, mit nur winzigen Absätzen. Andernfalls wäre Maxot niemals hier herauf gekommen. Und noch immer machte er sich keinen Kopf über die Umgebung.
Sie folgte ihm wortlos. Die ungewöhnlich niedrigen Stufen machten das Steigen schon wieder mühsamer als normal. Und sie waren so schmal, dass Mandy hin und wieder mit der Schulter gegen die verputzte Wand stieß.
„Ich werde dich leiten“, erzählte der Troll plötzlich, als hätte er lange nachdenken müssen. „Ich werde in keine deiner Prüfungen eingreifen, dass ist verboten. Wir beide würden sterben.“
„Jemand wacht über uns?“
„Wenn du so willst ... ich kann dir nur Tipps geben, insofern ich dazu in der Lage bin. Insgesamt hast du fünf Prüfungen zu bestehen und sie werden sich vom Schwierigkeitsgrad her allmählich steigern. Wenn du dir irgendwo etwas nicht zutraust, dann gehen wir wieder. Keiner von uns hat das Recht, auf unsere Kosten dein Leben zu riskieren.“
„Wir werden sehen.“
Maxot starrte die Treppe hinauf und hinunter. Verbittert musste er feststellen, dass sie erst die Hälfte hinter sich hatten. Selbst die kleinen Stufen waren für das kleine Wesen eine große Überwindung. „Ich helfe dir, so gut es geht, Mandy. Aber es wird nicht einfach werden. Du musst beweisen, dass du ein vollkommen reines Herz hast. Diese Aufgabe wird nicht leicht. In den meisten Seelen der Lebewesen steckt ein Teil Böses. Wenn auch du ihn besitzt, dann zeige, dass du ihn beherrschst.“
„Was werden das für Aufgaben?“, wollte Mandy wissen. Sie wurde unruhig, wenn sie daran dachte, dass jemand den Grund ihrer Seele ergründen würde. Wenn sie wirklich einen Teil Dunkelheit in sich trug, konnte sie ihn auch unter Kontrolle bringen? Ein wütender Mensch besaß keine Beherrschung oder nur in den seltensten Fällen.
„Ich traue dir das zu, Mandy. Aber ich kann nicht ganz genau sagen, was geschehen wird. Auf jeden Fall wird dieses allsehende
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