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Crystall (German Edition)

Crystall (German Edition)

Titel: Crystall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enrico Mahler
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Sicht.
    Sie warf ihren Kopf nach links und nach rechts. Mehr als am Tage erschienen ihr die eigentlich recht breiten Straßen nun wie schweigende Gassen. Die hohen Gebäude warfen tiefe Schatten und schufen ein verwirrendes Zwielicht.
    Das Mädchen überlegte nicht lange. Sie lief einfach nach rechts, Nadju war nicht groß genug, dass man sich wirklich hätte verlaufen können. Ungestört lief sie sämtliche Gassen und Straßen von Nadju ab, ohne ein wirkliches Ziel. Sie wusste auch nicht, wo genau sie sich befand. Sorglos ging sie drauf los. Aber es verstrich allerhöchstens eine viertel Stunde, nach der Mandy zum ersten Mal spürte, wie einsam sie wirklich war. Sie ertappte sich häufiger dabei, wie sie den Blick umher warf und die Schatten nach Leben durchsuchte. Sie begann, ihren eigenen Atem zu hören und das Blutrauschen in den Ohren. Und wenn sie ehrlich war, dann ging ihr Puls nicht wirklich normal, er schlug heftiger. Sie fühlte sich einsam.
    Nur um sich irgendwie abzulenken, lauschte sie ihren eigenen Schritten, die nachts und zwischen den engen Gebäuden auf dem Kopfsteinpflaster klackten und durch die Dunkelheit schallten. Sie hatte das Gefühl, als wären sie von einem Ende der Stadt zum anderen zu hören.
    Ihr Atem, ihre Schritte? War es nicht eher die Angst, die sie eigentlich spürte?
    Mandy biss sich auf die Zähne und ging weiter. Ihr Marsch durch die Stadt blieb ereignislos und still, zumindest was die Stimmen von Lebewesen betraf. Die üblichen Geräusche der Nacht blieben auch ihr nicht verschont. Der Wind schien plötzlich ein fauchendes Ungeheuer zu sein, jeder Vogel ein Dämon und das Bellen der Hunde hallte durch sämtliche Straßen. Es hätte ihr eigentlich das Gefühl vermitteln sollen, nicht alleine zu sein, doch das Gegenteil war der Fall. Sie stellte sich plötzlich Wölfe in der Nacht vor oder streunende Hunde, die mit einem Mal vor ihr auftauchen könnten. Nicht, dass sie jemals Angst vor den Vierbeinern gehabt hätte, aber sie musste nicht unbedingt nachts und in der Einsamkeit einem Rudel begegnen.
    Wenn sie ihr Gefühl nicht gänzlich im Stich gelassen hatte, dann musste sie die Stadt fast umrundet haben. Sie glaubte, bereits alle Straßen und Gebäude gesehen zu haben, doch sie gelangte einfach nicht mehr zu ihrem Gasthaus.
    Machte sie sich verrückt?
    Wieder erscholl das Bellen von Hunden und abermals erklang es aus der Ferne. Nervös fuhr sie sich mit dem Handrücken über die Stirn und atmete tief durch. Dann wand sie sich in die Richtung, aus der die Hundelaute kamen. Und genau dort hörte sie plötzlich leise Stimmen.
    Sprechlaute – menschliche Wesen?
    Mandy verließ den Hauptweg und bog in eine noch schmalere Gasse ein. Sie musste alle Konzentration aufbringen, um auf dem richtigen Weg zu bleiben, denn die Dunkelheit war hier nahezu vollkommen. Die Steingemäuer an ihrer Seite waren hoch und schienen sie einschließen zu wollen. Einen Augenblick hatte sie das Bild von grabschenden Händen vor Augen.
    Aber sie ging weiter und bemühte sich, so lautlos wie möglich über den Boden zu schweben. Sie verursachte noch immer Lärm, allerdings gedämpfter. Man würde sie nicht so rasch bemerken.
    Mandy erreichte einen Platz, der ein Marktbasar am Tage sein könnte. Die Gebäude standen ringförmig um diesen und in weitem Abstand. Wäre sie in den Wäldern, hätte sie den Platz als Lichtung bezeichnet.
    Und er war nicht leer.
    Mandy blieb im Schutz ihrer Gasse stehen, verborgen hinter den Schatten der riesigen Häuser. Sie zügelte sogar ihren Atem, als sie auf den Platz hinaus blickte.
    Dort waren gute zwanzig Bewohner versammelt, aufgestellt im Kreis. In ihrer Mitte stand etwas, das Mandy allerdings nicht recht erkennen konnte. Die Wesen Nadjus murmelten fremde Laute in einem beschwörenden Ton, Mandy konnte nicht ein Wort verstehen. Sie bewegten dabei ständig ihre Arme auf und ab, machten tiefe Verbeugungen und blickten dann wieder gen Himmel.
    Eine Zeremonie?
    Mandy kannte diese Wesen als freundlich und harmlos, aber nicht heute. Nicht, dass diese Mandy angegriffen hätten, doch irgendetwas an ihnen machte dem Mädchen Angst. Ihr Blick? Ja, das musste es sein. Ihre Augen waren starr, ihre Stimmen beinahe tonlos, als sprachen sie nur nach einem Rhythmus.
    Mandy sah aufmerksam zu, auch wenn ihr Herz heftiger schlug und etwas in ihr flüsterte, sie solle verschwinden, und zwar auf der Stelle. Sie tat es nicht. Und augenblicklich gab es dafür nicht wirklich einen Grund, sie

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