CSI: Miami - Der Preis der Freiheit
Alternative anbieten. Sonst hat man nur eine Marionette mit abgeschnittenen Fäden.«
Horatio dachte darüber nach. Gab es für die Leute von der Vitality-Method-Klinik eine Alternative? Einen besseren Ort, an den sie gehen konnten?
Natürlich, sagte er zu sich. Sie haben Freunde und Familie. Sinhurma hat sie schließlich nicht von der Straße aufgelesen; er hat sich Leute mit Geld geholt.
Der Punkt war nicht, dass Sinhurmas Patienten keine bessere Alternative hatten, sondern dass sie glaubten, bereits eine zu haben. Die Klinik war eine kleine Traumwelt abseits der Realität, die der Doktor geschaffen hatte, ein Ort künstlich erzeugter Schönheit, Jugend und Freude. Aber wenn die Vitality Method für sie das Sinnbild des gelobten Landes war, wohin waren sie dann gegangen?
»Sehen Sie«, fuhr Murayaki fort, »die meisten Sektenmitglieder sind entgegen der allgemein verbreiteten Klischees nicht von zu Hause weggelaufen, weil ihre Familien zerrüttet sind oder sie missbraucht wurden. Sie sind in der Regel wohlhabend und gebildet. Aber wie überall gibt es auch hier Ausnahmen von der Regel …«
»Und so eine Ausnahme ist Ihnen begegnet.«
Sun-Li schwieg eine Weile und dachte nach. »Verstehen Sie mich nicht falsch. Natürlich hat ihn die Sekte nicht gerettet – ihr liegt prinzipiell nur der Fortbestand der Gruppe am Herzen. Aber dieser junge Mann … ist geistig behindert. Keine Familie, keine Freunde, und von seiner Behindertenrente konnte er kaum leben. Die Sekte hat ihn aufgenommen wie man einen kleinen Hund zu sich nimmt, und sie fand eine Möglichkeit, aus ihm Kapital zu schlagen. Er eignete sich hervorragend zum Spendensammeln. Er war der lebende Beweis dafür, wie fürsorglich und vertrauenswürdig die Sekte war.«
»Und wenn es kein Publikum gab?«
Sun-Li lachte bitter. »Oh, Sie meinen, dann wurde er geprügelt, in einem Käfig gehalten und mit Resten gefüttert? Ich wünschte, es wäre so einfach. Nein, er wurde wahrscheinlich besser behandelt als alle anderen Sektenmitglieder – er musste weder Hungerkuren noch Gehirnwäsche über sich ergehen lassen. Er gehorchte und tat alles, was sie von ihm verlangten, weil sie ihm Aufmerksamkeit schenken. Ja, er wurde missbraucht, aber er war glücklicher als je zuvor in seinem Leben.«
»Und das haben Sie ihm alles weggenommen.«
»Ja«, antwortete sie. »Das habe ich. Ich habe versucht, ihm zu erklären, wohin das ganze Geld floss, aber das war zu kompliziert. Also ließ ich ehemalige Sektenmitglieder mit ihm sprechen und zeigte ihm Videos von Sessions, in denen Leute gebrochen wurden. Ich konnte schließlich zu ihm durchdringen, und er begriff, dass sie durch ihn ihren Profit vermehrten. Ich habe ihn so lange mit der Wahrheit bombardiert, bis ich endlich in seinen verdammten Dickschädel vordringen konnte.«
Sie klang noch wütender als zuvor. Horatio wartete ab.
»Er hat einen Tag lang geheult. Einen ganzen Tag lang. Dann hat er ein Glas zerbrochen und versucht, sich die Pulsadern aufzuschneiden.«
»Aber er hat es nicht geschafft.«
»Nein. Ich ließ ihn verarzten, und er entschloss sich zu einer Therapie. Er konnte mich nicht einmal dafür bezahlen – wie ich schon sagte, er hatte weder Familie noch Freunde –, und so kam ich selbst dafür auf. Und dann kehrte er wieder zurück in sein kleines Apartment und in sein kleines Leben.«
»Wenn Sie niemand dafür bezahlt hat, warum haben Sie ihn dann überhaupt in Ihr Programm aufgenommen?«, fragte Horatio.
Sun-Li sah ihn finster an. »Ich dachte, es sei eine Herausforderung. Und ich hatte Recht damit. Ich wusste nur nicht, um was für eine Art Herausforderung es sich handelte.«
Horatio studierte ihr Gesicht. »Und wie geht es ihm jetzt?«
»Warum glauben Sie, dass ich das weiß?«, erwiderte sie.
»Sagen wir mal, ich habe so eine Ahnung.«
Murayakis Züge wurden weicher. »Ich denke, es geht ihm gut. Er spielt gern Dame.«
»Wie oft besuchen Sie ihn?«
Sie zögerte, dann sagte sie: »Jeden Donnerstag.«
»Dann hat er doch zumindest einen Freund, nicht wahr?«
»Wenn Sie so wollen.« Sie kniff die Augen zusammen.
»Aber Sie sind nicht den ganzen Weg hergekommen, um mit mir über meine Probleme zu reden.« Plötzlich klang sie wieder ganz geschäftlich. »Sie sagten, Sie haben eine Sekte, die sich möglicherweise auf einen Massenselbstmord vorbereitet?«
»In der Tat.« Horatio berichtete ihr von Sinhurma, von seinem Gespräch mit ihm und von der verlassenen Klinik. Was die
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