CSI: Miami - Der Preis der Freiheit
sagte sie in die Kamera. »Gleich sehen Sie eine typische Interventionssitzung. Mein Klient kann jederzeit gehen, aber er tut es nicht, weil er etwas beweisen will. Zu seinem Glück habe ich jedoch mehr Beweise als er.«
Nun wurde ein Wohnzimmer gezeigt: Kamin, ein braunes Ledersofa, dazu passende Sessel, ein kleiner Holztisch, auf dem eine große rote Vase mit Blumen stand, und viel Tageslicht.
Sun-Li trug eine schwarze Trainingshose und ein graues Sweatshirt und saß auf dem Sofa. Ihr gegenüber, auf einem der Sessel, sah man einen jungen Mann mit kahl rasiertem Kopf, der eine weite weiße Kutte trug, ein Mittelding zwischen einer Toga und einem Kittel.
»Also, Brad, wie ich hörte, ist Ihr Anführer Reverend Joshua ein ehrlicher Mann«, begann Sun-Li das Gespräch.
»Natürlich ist er das«, entgegnete Brad. Er klang sehr ruhig, fast schläfrig. »Er glaubt an die Wahrheit. Und ich heiße jetzt Abraham.«
Sun-Li nahm eine dicke Mappe von der Couch, schlug sie auf und nahm einen Zeitungsartikel heraus. »Wie erklären Sie dann das hier?«, fragte sie und zeigte ihm den Artikel.
Die Aufzeichnung war nicht annähernd so dramatisch, wie Horatio es erwartet hatte. Es gab keine stämmigen Bodyguards, die Brad daran hinderten, den Raum zu verlassen, kein Geschrei, keine Tränen. Brad wurde lediglich in Form von Reportagen, amtlichen Dokumenten, Videobändern und sogar Polizeiberichten mit Informationen bombardiert. Auf jede seiner Fragen hatte Sun-Li eine Antwort. Sie ließ sich nicht auf spirituelle Diskussionen ein und kehrte immer wieder zu beweisbaren Tatsachen zurück. Brads Eltern erschienen mehrmals, meist um ihm etwas zu essen zu bringen – proteinreiche Kost, wie Horatio feststellte. Als Brad sich darüber beschwerte, von zu vielen Neuigkeiten erschlagen zu werden, rieten sie ihm, ein Nickerchen zu machen. Die Aufnahme wurde unterbrochen und zu einem späteren Zeitpunkt fortgesetzt.
Es gab auch kein dramatisches Finale. Brad gestand nicht urplötzlich, dass er Fehler gemacht hatte, und er brach auch nicht unter Tränen in den Armen seiner Eltern zusammen. Stattdessen änderte sich lediglich der Ton seiner Fragen. Sie klangen immer weniger herausfordernd und wurden schließlich zu ehrlichen Bitten nach mehr Information. Am Ende der Aufnahme war Brad offensichtlich extrem aufgewühlt. Horatio konnte sehen, wie seine Neuronen wieder zu arbeiten begannen.
Die letzte Einstellung zeigte Sun-Li erneut in ihrem Büro. »Dieser Prozess dauerte fünf Tage, etwas länger als der Durchschnitt. Brad setzte den Dialog mit seinen Eltern fort, erklärte sich zur Gruppentherapie bereit und verließ schließlich die Sekte. Die Genesung dauert in solchen Fällen zwischen sechs bis achtzehn Monaten, manchmal aber auch viel länger. Es ist ein sehr langsamer Prozess, aber wenn meine Klienten einmal angefangen haben, selbstständig zu denken, wollen sie nicht wieder damit aufhören.«
Die Kamera zoomte auf Sun-Lis Gesicht. »Achten wir einfach darauf, dass sie dazu auch keinen Grund haben.«
»Amen«, murmelte Horatio.
Yelina trat zu Horatio an den großen Leuchttisch und sah sich die Sachen an, die er darauf ausgebreitet hatte: ein blutverschmiertes blaues T-Shirt, Shorts, Socken, Unterwäsche und ein Paar Sneakers. Es waren die Kleidungsstücke von Ruth Carrell.
»Wir finden sie, Horatio«, sagte sie.
»Das bezweifle ich nicht. Die Frage ist nur: vorher oder nachher?«
»Vielleicht gibt es ja gar kein Nachher.«
»Ich wünschte, ich könnte das glauben.«
»Schon Erfolg mit der Drogenbande gehabt?«
»Leider nicht. Calleigh hat alle Verdächtigen verhört, und keiner von ihnen hat Sinhurma oder die Klinik erwähnt.«
»Glaubst du, sie decken ihn?«
Horatio nahm einen Objektträger und legte ihn unter das Mikroskop. »Wenn ja, dann verstehe ich nicht warum. Sie sind keine Sektenmitglieder – und Sinhurma ist zwar größenwahnsinnig, aber sie haben keinen Grund, aus Angst vor ihm zu schweigen. Nein, ich denke, wir haben einfach so viele Steine umgedreht, dass zufällig noch etwas anderes darunter hervorgekrochen ist.«
Yelina gähnte. »Entschuldige, es war ein langer Tag. Gibt es sonst noch etwas Neues?«
Horatio sah in das Okular und stellte scharf. »Vielleicht bald …«
»Was siehst du dir da an?«
»Sandkörner, die ich in Ruth Carrells Schuhen gefunden habe. Wenn ich sie identifizieren kann, verraten sie uns vielleicht, wohin Sinhurma verschwunden ist.«
»Viel Glück! Ich sage dir Bescheid, wenn ich
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