Cugel der Schlaue
versicherte Huruska, daß ich mich strikt an meine Regel halten würde. Er wird gewiß ein großes Theater machen, wenn ich nicht …«
Cugel winkte ungehalten ab. »Bringt mir Siegelwachs und Siegel, dann verschließe ich meinen Beutel. Er enthält ein Vermögen an Opalen und Saphiren. Wir werden ihn in Euren Geldschrank geben, dann habt Ihr ihn als Unterpfand. Selbst Huruska kann dagegen nichts einzuwenden haben.«
Der Wirt hob abwehrend die Hände. »Ich kann eine so große Verantwortung nicht auf mich nehmen!«
»Habt keine Angst«, beruhigte ihn Cugel. »Ich habe den Beutel mit einem Zauber geschützt. Sobald ein Unbefugter ihn zu öffnen versucht, verwandeln sich die Juwelen in wertlose Steine.«
Zögernd nahm der Wirt Cugels Beutel. Gemeinsam versiegelten sie ihn, und gemeinsam legten sie ihn in den Geldschrank. Nunmehr zog Cugel sich in sein Gemach zurück, badete, gab sich unter die Obhut eines Barbiers und gönnte sich schließlich frische Kleidung. Mit der Kappe keck auf dem Kopf spazierte er auf den Stadtplatz.
Seine Schritte führten ihn zu der Solaremosynarstation. Wie zuvor waren zwei junge Männer dort fleißig beschäftigt. Einer schürte das Feuer und justierte die fünf Lampen, während der andere den Regulatorenstrahl auf die tiefstehende Sonne richtete.
Cugel begutachtete die Vorrichtung von allen Seiten, bis der junge Mann, der sich um das Feuer kümmerte, ihm zurief: »Seid Ihr nicht der berühmte Reisende, der heute Zweifel über die Wirksamkeit des Emosynarsystems äußerte?«
Cugel wählte seine Worte mit Bedacht. »Ich sagte lediglich folgendes zu Huruska und Maier, dem Wirt: daß Brazel im Golf von Melantin versunken und schon fast vergessen ist; daß die befestigte Stadt Munt vor langer Zeit bereits verwüstet wurde; und daß ich weder Blauazur noch den Vir Vassilis kenne, obgleich ich weitgereist bin. Mehr sprach ich nicht.«
Der junge Mann warf verdrossen einen Armvoll Scheite in das Feuer. »Man sagte uns jedoch, daß Ihr unsere Bemühungen für sinnlos haltet.«
»Soweit würde ich nicht gehen«, versicherte ihm Cugel höflich. »Selbst wenn die anderen Emosynarstationen aufgegeben wurden, wäre es doch möglich, daß der Regulator von Gundar genügt. Wer kann das schon wissen?«
»Ich sage Euch folgendes«, begann wieder der, der sich um das Feuer kümmerte. »Wir arbeiten ohne Entschädigung, und in unserer Freizeit müssen wir Holz schneiden und hierher schaffen. Es ist sehr anstrengend und ermüdend.«
Der andere junge Mann am Regulator bestätigte die Worte seines Freundes. »Huruska und die Stadtälteren beteiligen sich überhaupt nicht an der Arbeit, sie kommandieren uns lediglich herum, und dazu brauchen sie sich wohl nicht anzustrengen. Jandred und ich gehören der aufgeklärten neuen Generation an. Wir lehnen prinzipiell alle dogmatischen Doktrinen ab. Ich persönlich halte das Solaremosynarsystem für Zeit-und Kraftvergeudung.«
»Wenn die anderen Stationen alle nicht mehr in Betrieb sind«, warf nun Jandred ein, »wer oder was reguliert dann die Sonne, wenn sie hinter dem Horizont verschwunden ist? Das System ist reine Gaukelei!«
Der, der die Linsen bediente, sagte: »Ich werde es nun beweisen und uns dadurch hoffentlich von dieser undankbaren Arbeit befreien.« Er verstellte einen Hebel. »Seht! Ich lenke den Regulatorstrahl von der Sonne fort. Und scheint sie nun nicht genau wie zuvor, ohne die geringste Hilfe unsererseits?«
Cugel betrachtete die Sonne. Sie glühte tatsächlich wie bisher, flackerte hin und wieder und zitterte wie ein Greis im Schüttelfrost. Die beiden jungen Männer beobachteten sie mit gleichem Interesse. Als die Minuten vergingen, murmelten sie zufrieden: »Unser Handeln ist gerechtfertigt! Die Sonne ist nicht erloschen!«
Doch noch während sie zuschauten, erlitt die Sonne, vielleicht rein zufällig, einen Schwächeanfall und taumelte bedrohlich dem Horizont entgegen. Ein wütender Aufschrei erschallte, und der Nolde Huruska kam herbeigerannt. »Welche Verantwortungslosigkeit! Richtet den Regulator sofort wieder auf die Sonne! Wollt Ihr vielleicht, daß wir uns den Rest unseres Lebens durch die Dunkelheit schleppen?«
Der Feuerschürer deutete anklagend auf Cugel. »Er überzeugte uns, daß unser System unnötig und unsere Arbeit sinnlos ist.«
»Was?« Huruska schwang den schweren Körper herum und konfrontierte Cugel. »Erst vor Stunden kamt Ihr in Gundar an, und schon mischt Ihr Euch in Dinge, die Euch nichts angehen, und
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